Im_Leichensack

Mit einem langen Ssssiiiiip schloß sich der Reißverschluß und es wurde dunkel über mir. Nur die Stimmen hörte ich noch. „Was haben sie bei ihm gefunden?“ fragte die hellere Stimme. Eine Pianosaite und eine Bierflasche in der Jacke, ein kleines Wollknäuel in der Hosentasche, sonst nichts, keine Papiere, kein Geld.“ antwortete die tiefere ruhige Stimme. Ihr hatte schon mein Anblick nichts ausgemacht, hatte wahrscheinlich Routine. „Gut, dann bringen sie ihn weg“ befahl die hellere Stimme. Es ruckelte, klapperte, irgendetwas schien einzurasten. Dann war es einen Moment lang ganz still bis zwei Autotüren dumpf klappten und genauso dumpf klangen plötzlich auch die Stimmen. „Invalidenstrasse“ sagte die tiefere ruhige Stimme. „Nee, Turmstrasse“ korrigierte eine junge männliche Stimme und fragte „darf man jetzt Radio anmachen?“ Die tiefere ruhige Stimme lachte „Hertha spielt, ja mach mal an. Und du hast natürlich recht, wir sind ja jetzt in Moabit. Ist dein erstes mal, oder?“ „Ja“, antwortete die jüngere Stimme „meine erste Tour dieser Art.“ Hätten sich doch bloß meine Lippen bewegt, ich hätte ihnen sagen können, das es auch mein erstes Mal ist. Aber es war gar nicht so schlecht. Mir wurde endlich beim Autofahren mal nicht übel, obwohl mein Magen so seltsam gluckerte. Was man doch für Geräusche macht, wenn man tot ist. Aber meine Stimmung war angenehm entspannt. Ob, das schon vom Leichengift kam?

Meine Güte ich rede schon über mein innerstes und habe mich noch gar nicht vorgestellt. Peter, Peter Stankowsky mit y. Ja, genau der Pianist mit dem Glasauge. Wo war das überhaupt. Hoffentlich haben die das eingepackt. Auf der Bühne war ich gefeiert und aus dem Orchester gefeuert. Die Bierflasche? Ja, die war seither mein ständiger Begleiter. Ok, ich hatte gelogen, hatte nicht bei Horovitz studiert und stammte auch nicht aus einer Künstlerfamilie. Aber mich gleich zu entsorgen?! Na, wie dem auch sei, nun ist es passiert. Oh, wir halten und der Motor ist aus. Jungs, ruckelt nicht so, mein Magen... „Wohin?“ fragt die jüngere Stimme. „In den Kühlraum“ antwortet die tiefere ruhige. Hui, ich rolle … ganz ruhig. Das klingt nach Fahrstuhltür. Hey, ich mag keine Fahrstühle! Ah, wir sind schon da. Oben oder unten? Na, unten wahrscheinlich. Haben aber viele Ecken diese Gänge. Nicht so schnell, ein bisschen Respekt bitte! Wenn ihr mich schon anhebt dann bitte gerade und oha, sanft absetzen Jungs, so ein bisschen Gefühl hab ich noch. Was war das? Hört sich an wie eine große Schublade. Klack und Ruhe! Na, Endlich!