Earl Grey

Entnervt schmiss Ruben das Fenster wieder zu. Widerlich dieser Gestank. Irgend so ein Riesenköter hatte ihm genau vor's Fenster im Sousterrain geschissen. Earl Grey-Tee, Pfefferminz-Schokolade und Hundescheiße standen nun als Duftwolke in dem feuchten Zimmer. Aber es passte zu diesem grauen regnerischen Tag. Erst die Post vom Jobcenter, dann der Konto-Auszug bei der Bank und jetzt wurde ihm auch noch seine Teestunde, die letzte kleine Freude vermiest. Immer wieder starrte Ruben auf den Brief vor sich. „...müssen wir ihnen mitteilen, dass die Zahlungen mit sofortiger Wirkung eingestellt werden.“ Also nochmal, zum wievielten male wusste er nicht mehr, die Hotline anrufen. Immer die gleiche freundliche Stimme „Willkommen in ihrem SGB II – Service-Center, der nächste freie Platz ist bereits für sie reseviert … düdeldüdelalala … wir sind gleich für sie da … düdeldüdelalala … tut-tut-tut...“ Irgendwann mußte da doch jemand abnehmen, aber stattdessen wieder aus der Leitung geflogen. Das letzte Stück Schokolade schob sich der Berliner mit einem Stöhnen in den Mund. Auch wenn dieser Tag wie ein Montag wirkte, nein, es war Mittwoch.

Die Woche hatte so gut angefangen. Auf die erste Seite der Morgenpost hatte er es geschafft. Na, zumindest auf die erste Seite des Berziksteils, nach dem Berliner Lokalteil. „Knotenpunkt“ - Roman über Datenklau stürmt die Bücher-Charts. Ruben Henning der neue Star-Autor aus Wedding.“ Endlich, sein zehntes Buch wurde nicht nur an-, sondern auch wahrgenommen. Nach all den Nächten in dieser Bruchbude. Das hatte dann auch das Jobcenter gelesen. Seine Hand wollte den Brief am liebsten zerknüllen. „...fordern wir sie auf ihre Nebeneinkünfte … Aufhebung des Bescheids … Strafanzeige ...“ Rubens Augen huschten nur noch über die Worte. Einen Scheißdreck hatte er bekommen. Musste sogar einen Teil der Erstauflage bezahlen. Dieser miese Hinterhofverleger hatte ihn völlig über den Tisch gezogen. „Ihr Sesselpupser denk auch ich bin Krösus, oder was.“ entfuhr es Ruben lautstark.

Doch dann entspannte sich der Rotschopf. Nahm ein großes Kuvert und notierte in aller Ruhe seine BG-Nummer mit dem Hinweis „Nachweise der Einnahmen aus Nebentätigkeit, z.Hd. Herrn Grauheim“ darauf. Griff die kleine Gartenschaufel und ging grinsend nach draussen.