Weihnachtswünsche: Sam

Die silberne Menora stand im Fenster des kleinen Ladens. Sam sah von außen hinein, sehnsüchtig, aber er hatte nicht das Geld, sie wieder auszulösen. Bis morgen würde sie nicht verkauft werden, war sie nur Dekoration. Danach…
Der Leuchter hatte seinem Großvater gehört und Sam hatte ihn versetzt – für die Miete. Religiös war er nie gewesen, aber jetzt, wo das verdammte Ding hier stand und nicht mehr auf seinem Tisch – jetzt fehlte es ihm. Irgendetwas musste er sich einfallen lassen…
Ein Windstoß wirbelte ihm Schnee in den Kragen. Er zog fröstelnd den Schal enger um seinen Hals.
Tief in Gedanken trottete er die schmutzige Gasse hinunter. 50$. So wenig, wenn er überlegte. Und doch so viel, wenn man sie nicht hatte!
Traurig schlich er das heruntergekommene Treppenhaus hinauf, an dessen obersten Ende seine Behausung auf ihn wartete: eine schwankende Bretterbude, durch die der Wind pfiff. Ein wackliger Balkon vervollständigte sein Heim. Sam hatte seit seinem Einzug den Verdacht gehabt, dass dieser in besseren Zeiten eine Abstellkammer gewesen war, deren Verkleidung den letzten Sturm nicht überlebt hatte.
Es hatte draußen begonnen, in dicken Flocken zu schneien. Der Wind heulte und die Böen trieben leuchtende weiße Klumpen durch die Ritzen, die auf dem Boden zu kleinen Lachen schmolzen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite blinkten Weihnachtslichterketten und überall war Santa – mit oder ohne Rentiere. Sam zog die Decke vor das Fenster. Nun war das rote Leuchten zu einem unheimlichen Glimmen gedämpft. Dann setzte er sich auf die quietschende Couch. Was konnte er bloß tun?
Sein Magen knurrte. Auch das noch! Sam stand auf und ging über knarrende Dielenbretter zur Tür seines „Balkons“. Diese lehnte nur an der Wand. Er hob sie beiseite und langte hinaus in die windige Kälte. Hier stand noch ein Topf mit Erbsensuppe, die er mangels Kühlschrank hier untergebracht hatte. Der Deckel war angefroren. Ein paar Minuten auf dem Kohleofen ließen Topf und Inhalt dampfen. Ein angenehmer Duft verbreitete sich.
Es klopfte an seiner Haustür. Sam blickte irritiert auf. Schuldete er noch jemandem Geld? Sollte er öffnen oder sich über den Balkon abseilen?
Nein, er lebte hier schon wie eine Ratte, aber benehmen wollte er sich nicht wie eine. Er entschied sich fürs Öffnen.
Der achtjährige Sohn seiner Nachbarin stand davor.
„Kannst du uns deine Stichsäge leihen? Wir wollen im Wald einen Weihnachtsbaum holen gehen!“
„Klar, mach ich!“, antwortete Sam und versuchte, nicht so erleichtert zu klingen wie er war.
Der Junge bekam große Augen, als er die Suppe roch, und ein sehnsuchtsvoller Blick zum Topf verriet seinen Hunger.
„Willst du auch einen Teller?“, fragte Sam.
Der Junge nickte. Sam tat ihnen beiden auf und der Kleine schaufelte sich die heiße Suppe so gierig in den Magen, als hätte er seit Tagen nichts Warmes mehr gegessen. Als er seinen Teller gründlich mit dem Zeigefinger ausgewischt hatte, strahlte er Sam zufrieden an.
„Meine Mutter hat gesagt, da unten in dem Geschäft, wo sie arbeitet, brauchen sie morgen noch einen Santa! Der ist krank geworden – nein, nicht der echte, der Schauspieler! 50$ sind drin! Und du kannst das Geld doch brauchen, oder?“
„Danke!“
Sam lächelte. Sein Geschenk zu Weihnachten hatte er schon.