Zielvorgaben

Ich hatte das Gewehr auf ein Säckchen Reis aufgelegt, die stützen am Gewehr mochte ich nicht so gerne, man ragte damit zu weit über die Auflage hinaus. Der Wind kam leicht aus Nordost, das korrigierte ich, indem ich das Visier einen Strich nach links hielt.

"Ich muss mal aufs Klo." störte Holger meine Konzentration, verließ seinen Posten neben der Zimmertür und stapfte durch das Zimmer Richtung Bad. Ich nickte, ohne aufzuschauen, verfolgte mit den Ohren seine Schritte und versuchte wieder in meine Vorbereitungen hinein zu kommen. Ich arbeitete lieber allein, aber man musste sich ja auch um den Nachwuchs kümmern, deshalb hatte ich mich überreden lassen, einen Azubi mitzunehmen. Ich bereute das bereits.

Mein Standpunkt in dem Hotelzimmer war erhöht, fünfte Etage. Die Ablenkung der Kugel durch die Erdanziehung war damit trotz der Entfernung von 800m vernachlässigbar. Die Steyr .50HS war eine Single-Shot-Waffe, das würde heute auch völlig ausreichen. Die Zielperson erwartete ich erst in zwanzig Minuten, aber ich war gerne schon etwas früher am Einsatzort.

Plötzlich wurde die Tür zu meinem Hotelzimmer aufgeschlossen. Ich drehte mich um. "Zimmermädchen." rief eine junge Frau in blauweißer Uniform. Am Knauf der Tür hing das Schild 'Bitte nicht stören', sie hatte es einfach ignoriert.

"Oh entschuldigen Sie, ich wusste nicht ..." Sie Schaute auf den Türknauf. "Ups. Tut mir wirklich leid. Ich bin heute wieder schusselig. Mein Freund hat gerade Schluss gemacht. Bin mit meinen Gedanken ganz woanders. Wieso tragen Sie eine Skimaske und einen Blaumann?" Sie zögerte eine halbe Sekunde. "Dum di dum," begann sie zu trällern. "Ich geh dann mal lieber wieder," murmelte das Mädchen und wollte sich umdrehen.

Die ganze Zeit hatten Ihre Augen nur auf das Gewehr gestarrt, das jetzt am Fenstersims lehnte, während ich mich auf sie zubewegt hatte. Ich schüttelte langsam den Kopf, packte das Mädchen am Arm. "Au. Sie tun mir weh," und zog sie ins Zimmer. Mit einem Blick auf den Flur vergewisserte ich mich, dass da nicht noch weitere Überraschungen lauerten, zerrte ihren Putzwagen herein und schloss die Tür wieder ab. Im Bad wurde die Spülung betätigt.

"Lassen Sie mich los, sonst schrei ich." protestierte das Zimmermädchen.

"Nicht mit durchtrennter Kehle." Ich hatte ein Messer gezogen, die 8 cm lange Klinge presste ich ihr unter das Zungenbein, ein Tropfen Blut sammelte sich an der Schneide. Ich nahm den Druck etwas zurück.

Sie starrte mit großen Augen geradeaus, ich spürte, wie sie zitterte.

Mit der Handkante zersetzte ich ihr einen Schlag in den Nacken und sie sackte bewusstlos zusammen. Das würde mir ein paar Minuten geben, um die Situation unter Kontrolle zu bringen.

"Haben wir Besuch?" wollte Holger wissen, als wieder ins Zimmer kam. "Kümmer Dich um sie." Ich drückte ihm das Mädchen in die Arme und nickte Richtung Bett, dann legte ich das Gewehr wieder an. Der Wind hatte etwas aufgefrischt, ich sah, wie sich die Blätter an einem Baum leicht bewegten. Die Luftfeuchtigkeit war gering, da würde die Kugel weniger durch den Luftwiderstand abgebremst werden. Dann hörte ich, wie der Hahn einer Pistole gespannt wurde.

"Stopp. Was soll der Unsinn." hielt ich Holger auf und drehte den Kopf zu ihm. Er presste dem Zimmermädchen ein Kopfkissen aufs Gesicht und drückte eine Waffe mit Schalldämpfer dagegen.

"Du hast gesagt, ich soll mich um sie kümmern."

Ich schüttelte den Kopf. "Aber nicht umbringen. Pack sie ein. Nach dem Job setzten wir Sie irgendwo aus."

"Du willst Sie leben lassen?" fragte Holger verwundert.

"Wo hat Du Deine Grundausbildung gemacht, auf Sizilien? Natürlich bleibt sie am Leben. Merk Dir: Es wird nur getötet, wenn dafür bezahlt wird, sonst machst Du die Preise kaputt"

Holger zuckte mit den Schultern. "Wie Du willst, Chef. Was soll ich tun?"

Ich unterdrückte den Seufzer. "Nimm das Bettlaken und das Panzerband und verschnür sie gut. Wir bringen sie nachher mit dem Putzwagen zum Auto. Unter den schmutzigen Bettlaken können wir sie verstauen.

"O. K., Chef."

Ich schaute auf die Uhr. Zehn Minuten. Ich musste jetzt ans Fenster. Ziele kamen selten auf die Minute pünktlich. Ich hörte, wie Klebeband abgerissen wurde und jemand auf dem Bett herumsprang. Ich unterdrückte den Drang mich umzudrehen und beobachtete den Hauseingang 800 Meter weiter. Das Licht im Flur war angegangen, es konnte nicht mehr lange dauern.

"So fertig." Holger hockte sich neben mich. Ich spürte seinen Atem im Nacken, während er versuchte, zu sehen, was ich sah. "Wieso tragen wir nochmal 'ne Skimaske?"

"Runter verdammt. Weil ein helles Gesicht in einem dunklen Fenster zu sehr auffällt. Also mach endlich das Licht aus und geh' in Deckung."

"Alles klar, Chef."

"Aua. Das hat aber weh getan. Hat man Ihnen nicht als Junge beigebracht, das man keine Frauen schlägt?" meldete sich das Zimmermädchen zu Wort. "Und wieso bin ich hier so eingemummelt. Ich muss noch fast fünfzig Zimmer machen. Ich hab keine Zeit hier rumzuliegen ..."

"Holger?!"

"Tschuldigung, bin nicht an lebende Fracht gewöhnt. Hab' wohl den Knebel vergessen." Er stand auf und stoppte den Redefluss des Mädchens.

"Hmpf hmpf." machte Sie entrüstet. Ich wollte nicht wissen, was Holger ihr in den Mund gesteckt hatte, aber es tat seine Wirkung. Das Klebeband ratschte ein weiteres Mal.

"Bleib bei ihr. Pass auf!" murmelte ich mit dem rechten Auge am Visier, das linke hatte ich ebenfalls geöffnet und scannte die Umgebung des Zielgebiets. Die Straße war belebt, aber der Hof vor dem Haus war frei und die hohen Hecken am Zaun verdeckten den Hauseingang von der Straße aus. Das war gut, es würde nicht sofort eine Panik ausbrechen, der Schuss würde aus dieser Entfernung kaum zu hören sein. Wir mussten nur das Hotel zügig verlassen. Die Räume links und rechts hatte ich ebenfalls angemietet, sodass es dort keine Zeugen geben würde, aber die Etagen über uns unter uns hatte ich nicht unter Kontrolle.

"Nimm ihren Generalschlüssel. Dann können wir den Serviceaufzug nehmen und brauchen sie nicht durchs Treppenhaus schleppen." flüsterte ich."

"Äh."

"Was?"

"Du hast gesagt, ich soll Sie in Bettlaken wickeln."

"Und vorher hast Du doch ihre Taschen durchsucht, oder nicht?" ich ahnte schon die Antwort.

"Nein Chef. Hätte ich sollen?"

"Taste sie ab. Finde die Schlüssel. Nimm das Messer. Verstanden."

"Klar Chef." sagte Holger.

"Hmpf himpf." machte das Zimmermädchen.

"Versuch' sie nicht zu verletzen."

"Himpf."

Die Zielperson öffnete die Haustür. Atmen - zielen - Schuss.

Hinter mir klirrte ein Schlüsselbund. "Hab ihn. Hab ich was verpasst?"

"Ruhe jetzt. Pack sie in den Wagen und nichts wie raus hier."

Das Zimmermädchen

Ich hab keine Lust mehr. Noch 48 Zimmer bis Feierabend und ich kann nur an Jürgen denken. Das Schwein hat mich einfach abserviert. Was hab ich ihm den getan, nix. Genau! Meint wir sollten eine Weile getrennte Wege gehen, so ein Unsinn, als ob das nicht eine platte Ausrede ist, um nicht zu sagen: Schluss. Ich habe Dich geliebt Jürgen. Wie konntest Du mir das antun.  Nächstes Zimmer. Ich frage mich, wie diese Bude aussieht, is manchmal unglaublich, wie die Leute die Zimmer hinterlassen.

"Zimmermädchen"

Oh, da ist ja noch jemand.

"Oh entschuldigen Sie, ich wusste nicht ..."

Peinlich, da hängt ja sogar das 'nicht Stören'-Schild. Ich bin wirklich völlig durch 'n Wind heute.

"Ups. Tut mir wirklich leid. Ich bin heute wieder schusselig. Mein Freund hat gerade Schluss gemacht. Bin mit meinen Gedanken ganz woanders.

Wieso tragen Sie eine Skimaske und einen Blaumann?"

Und wieso lehnt da ein Gewehr am Fenster, und was für ein riesiges. Ich verzieh mich lieber unauffällig.

 "Dum di dum," ich sollte nicht singen. Ich sollte nicht singen. Ich dreh mich langsam um und

"Ich geh dann mal lieber wieder,"

Ich hab nix gesehen, garnix. So, nur zwei Schritte zur Tür, dann bin ich weg. Will gar nich' wissen, was hier los ist.

"Au. Sie tun mir weh." Jetzt hat mich der Kerl doch am Arm gepackt und was für ein Griff. Da bleiben bestimmt blaue Flecken. Hm aber die Augen sind schon. Wenn ich doch nur das ganze Gesicht sehen könnte. Ich sollte irgendwas sagen, aber was nur.

"Lassen Sie mich los, sonst schrei ich."

Nein, das kam nicht so gut. Jetzt drückt er mir ein Messer an den Hals, das tut weh. So ein starker Kerl hat mich schon lange nicht gehalten, hoffentlich merkt er nicht, wie ich zitter.

[Pause]

Der hat mich gehauen!

"Aua. Das hat aber weh getan. Hat man Ihnen nicht als Junge beigebracht, das man keine Frauen schlägt?"

Gemeiner Typ. Oh, da is' ja noch einer von denen. Den mag ich aber gar nich'.

"Und wieso bin ich hier so eingemummelt. Ich muss noch fast fünfzig Zimmer machen. Ich hab keine Zeit hier rumzuliegen ..."

Holger, heißt der kleinere. Ha, das petz ich. Nee, lieber vergess ich das gleich wieder. Bringt nur Ärger böse Leute beim Namen zu kennen. Nein, ich will Deine Socken nicht in meinem Mund. Das schmeckt widerlich und das Klebeband krieg ich doch nie wieder aus den Haaren. Och nöö, jetzt setzt er sich auch noch zu mir. Guck nich' so, das sind meine Brüste. Wehe du packst mich an, dann schrei ich. Mist, ich kann ja gar nicht schreien.

Ob der Große mich beschützt? Seinen Namen wüsst' ich gern.

Ätsch, den Generalschlüssel bekommst Du nicht, der ist in meiner Rocktasche. Musst mich schon wieder auspacken, wenn Du da ran willst.

Und dann tret' ich Dich!

Oh nein, bitte nicht noch ein Messer. Hi hi, das Kitzelt.

Ah toll, jetzt hat Holger die Schlüssel schon gefunden.

Was raus? Oh nee, bitte nicht zu den alten Laken, ihr habt ja keine Ahnung, was die Leute darin treiben.