Todesgefahr (Der Cop und der Tod VII)

„Ditch. Wo seid ihr?“ wollte Martin wissen. Die Polizistin schaute sich nach Straßenschildern um, während sie das Handy ans Ohr presste. Sie saß wieder am Steuer.

„Noch etwa zehn Minuten bis Quebec.“

„Kommt zur Group Ocean Inc., Rue Abraham-Martin am Hafen, das Lagerhaus.“ Martin klang gehetzt.

„Was? …“, wollte Chadija fragen.

„Hör zu: Ich hab Susan gefunden. Die Verstärkung ist angefordert. Beeil dich.“

„Martin?“

„Sie kommen“, flüsterte Martin. Susan hat sich mit den falschen Leuten angelegt und meine Recherchen haben sie auffliegen lassen. Ich kann nicht auf Euch warten.“

Die Verbindung brach ab. Chadija starrte einen Moment auf das Telefon, dann wieder auf die Straße.

Chadijas blicke huschten zwischen Straße und Navi hin und her, während sie gleichzeitig versuchte, auf der Straße zu belieben und das neue Ziel einzugeben.

„Fahr vorsichtig“, brummte der Tod.

„Was wollte Martin?“, erkundigte sich Horst.

„Keine Ahnung, aber er braucht meine Hilfe.“ Sie drückte das Gaspedal durch und der Motor heulte auf. 


Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich die riesigen Getreidespeicher des Hafens in Sicht kamen. Die Hallen der Ocean Group lagen gleich gegenüber. Chadija parkte neben dem einzigen anderen Auto mit US-Kennzeichen, ein Mietwagen.

„So wie ich Martin kenne …“, bemerkte sie, während sie um das andere Auto herumging. Dann brach sie den Kofferraum des Mietwagens auf.

„Kannst Du mit so was umgehen?“ Die Polizistin hielt eine abgesägte Schrotflinte und eine Pistole in die Höhe.

„Ich mag keine Schusswaffen“, erklärte der Tod.

Chadija zuckte mit den Schultern steckte eine Halbautomatik in den Gürtel und prüfte, ob die Flinte geladen war.

„Auch gut, dann bleibt mehr für mich.“ Sie nahm noch den kleinen Revolver und steckte ihn in die Jackentasche. „Martin rechnet offenbar mit einigem Widerstand, sonst hätte er die Wummen nicht für mich da gelassen.“

Sie knallte den Kofferraumdeckel zu und ging zum Gebäude. „Horst, kannst du mal schauen, was da drin los ist.“

Horst nickte schemenhaft. „Aber ich komme nicht sehr weit.“

Chadija schaute sich um, dann nahm sie den Stein und schleuderte ihn durch eine Fensterscheibe, es klirrte. Horst huschte hinterher. Sie hielt die Flinte in der Hand und presste sich an die Hauswand, es war nichts zu hören, niemand reagierte auf das zerbrochene Fenster.

Horst steckte seinen Kopf durch die Wand. „Soweit ich sehen kann, ist dieser Teil leer.“ Er grinste dabei, aber ihm machten Bleikugeln ja auch nichts mehr aus. „Um die Ecke ist eine Tür, folgt mir.“

Mit leisen schnellen Schritten liefen sie den Schotterweg entlang. Die Tür war verschlossen, aber der Tod zerschnitt das Schloss mit seiner Sense.

„Praktisch“, flüsterte Chadija.

„Mein Stein liegt da hinten“, sagte Horst und deutete zwischen aufgebockten Jachten hindurch. „Das Boot mit dem umgelegten Mast.“

„Shht.“ Chadija drückte sich in den Schatten. „Da kommt jemand.“

Ein Rolltor öffnete sich mit lautem Quietschen und eine Limousine führ in die Halle, sie befanden sich nur ein paar Yard rechts von dem Tor, aber hinter einem der Boote bemerkte man sie nicht. Die Polizistin und der Tod folgten dem Auto in der Deckung der Jachten bis zum Ende der Halle, wo sich Büroräume in zwei Etagen anschlossen. Unten brannte noch Licht hinter den Milchglasscheiben. Ein Geländewagen parkte bereits vor den Büros. Sie steckte Horsts Stein wieder in die Tasche, als sie an dem Boot vorbeikamen, bei dem er gelandet war.

Martin winkte sie zu sich heran, er hatte sich hinter einer Palette Gasflaschen versteckt, ein Gabelstapler parkte in der Nähe, wahrscheinlich sollten die Behälter bald fortgebracht werden, nach US-Recht wäre es illegal und dein Verstoß gegen den Brandschutz und die Polizistin vermutete, dass es in Kanada nicht viel anderes sein konnte.

Chadija schüttelte den Kopf und wandte sich an ihren Ex-Partner, sie hatte so viele Fragen, aber Martin schüttelte nur den Kopf, jedes Wort hätte sie verraten können, als der Motor der Limousine abgestellt wurde.

Der Fahrer stieg aus und öffnete die Tür für einen Mann in dunklem Anzug. Ein zweiter folgte. In der Hand hatte er einen kleinen Metallkoffer.

„Klar Boss, wenn Sie was weiß, krieg ich’s auch raus“, setzte er eine Unterhaltung fort, die schon im Auto angefangen haben musste.

Der Boss nickte. „Spielt keine Rolle. Das Exempel ist wichtiger, als das Geld. Sorg nur dafür, dass ihre Reste in ein paar Tagen gefunden werden.“

„Natürlich Boss. Ich weiß, was ich tue.“

„Und dass es nicht zu schnell geht. Ich möchte nicht, dass jemand auf die Idee kommt, ich würde vergessen, wenn man mir meine Jacht stiehlt.“

Chadija hob die Schrotflinte, aber Martin hielt sie zurück. Er deutete auf drei weitere Männer mit Schnellfeuergewehren, die umherstanden. Aber sie alle folgten dem Boss in den Nebenraum. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.‎

‎"Schön Dich wiederzusehen. Martin", flüsterte Chadija. "Du siehst etwas blass aus."‎

"Mein Körper lag auch schon zwei Tage auf Eis, bevor ich ihn wiederbekommen habe. Deiner war wenigstens die ganze Zeit durchblutet", ‎maulte Martin ebenso leise.‎

Sie hätte gern mehr erfahren, aber im Moment gingen andere Sachen vor ‎"Was ist hier los?"‎

„Sie haben Susan da drin, aber es sind zu viele. Wenn wir anfangen zu schießen, ist sie die Erste, die stirbt“, antwortete Martin.

Chadija strich mit der Hand über den rauen Lack einer Gasflasche. „Dann sorgen wir dafür, dass sie nicht dazu kommen.“

„Ditch. Die Mounties müssen jeden Augenblick eintreffen. Mit einem Sonderkommando."‎

„Sie kommen zu spät. Wir nehmen die zweite Jacht da, dann sollten wir hier gut gedeckt sein“, überlegte sie laut, aber sie wusste, dass Martin sie verstand, denn seine Augen wurden immer größer, während sie redete.

„Ditch!“, flüsterte er schockiert.

„Leute.“ Horst steckte seinen Kopf durch das Milchglasfenster. „Was der Typ da in dem Koffer hat, ist wirklich übel und ziemlich scharf.“

„Willst Du Susan retten, oder nicht?“, wandte Chadija sich an ihren Partner.

„Aber!“

"Vertrau mir. Du schießt auf das Ventil und ich nutze die Verwirrung, wenn sie nachschauen, was los ist. Dann werden sie sich nicht mehr um sie kümmern, sondern sich verteidigen."‎

Martin nickte langsam.

„Chadija“, sagte der Tod leise, aber sie konnte seine Stimme in ihrem Magen vibrieren hören. „Ich muss mit Martin gehen.“

„Ja ich weiß. War nett Dich kennengelernt, zu haben. Sei mir nicht böse, aber so schnell möchte eich Dich nicht wiedersehen.“

Horst schaute zwischen ihnen hin und her, unschlüssig, wem er folgen sollte.

Der Tod lächelte und zog die Sense aus der Tasche, während er Martin folgte, der eine Gasflasche fortschleppte.

„Horst, ich kann durch diese Scheibe nichts erkennen. Du musst mir sagen, wo Susan ist.“

„Sie ist an den Stuhl gefesselt, da, drei Männer stehen um sie herum.“

Ein gedämpfter Schrei zerriss die Stimme.

Der Geist steckte seinen Kopf noch einmal durch das Fenster, als er zurückkam, hielt er sich die Hand vor den Mund. „Oh Gott. Er hat ihr die Finger gebrochen. Ihr müsst Euch beeilen. Sie ist ohnmächtig geworden.“

Chadija schaute sich kurz um. „Wie lange kann es dauern, auf eine Gasflasche zu schießen“, murmelte sie.

Und dann explodierte die Welt um sie herum in einem Flammenmeer. Splitter sättigten die Luft und Chadija hörte auf einmal alles wie durch ein Kopfkissen gedämpft. Sie zielte und schoss in rascher Folge auf die drei Schatten, die aus der Tür stürzten. Zwei sackten zu Boden, der Dritte warf sich zur Seite.

Chadija spürte die Hitze im Rücken, aber sie sah sich nicht um. Sie trat aus der Deckung, um ein freies Schussfeld zu haben und streckte die letzte Wache nieder. Während sie sich in den Raum warf, die Kugel traf sie im Bein, aber sie spürte nur den Schlag und rollte sich hinter einen Schreibtisch. Zwei weitere Kugeln verließen ihre Waffe und fanden ihr Ziel. Dann war plötzlich alles ruhig, nur das Feuer knisterte hungrig und sein Schein färbte die Milchglasscheiben orange und rot. Sie spürte die Schmerzen, aber sie spielten einfach keine Rolle, das würde kommen, wenn der Schock nachließ.

 Unter dem Schreibtisch hindurch sah sie den Mann, den sie niedergestreckt hatte und ein paar schwarze Lederschuhe. Susan befand sich am anderen Ende des Raumes.

Sie feuerte auf die Schuhe. Ein Schmerzensschrei, dann ging der Boss zu Boden. Chadija feuerte ihm drei Kugeln in die Brust.

„Chadija.“

„Peter? Was machst Du denn hier?“ Chadija schaute auf das Bein, das ihr nicht gehorchen wollte. Einen Moment glaubte sie das Knie sei an der falschen Stelle, bevor sie realisierte, dass sie Kugel den Knochen zertrümmert haben musste.

„Martin hat mich zurückgeschickt. Er meint er kennt den Weg.“

Mit der Sense trennte er die Seele der beiden Toten von ihren Körpern und warf sie unsanft durch die Tür, hinter der eine ganz andere Flammenhölle loderte, es roch nach Schwefel. „Ihr dürft die Abkürzung nehmen“, murmelte er dabei.

„Und Du vertraust ihm?“ Chadija zog sich am Schreibtisch hoch. „Du musst Susan hier raus bringen.“ Sie schaute zu der gefesselten Frau herüber. Ihr Kopf hing herunter und der rechte Arm baumelte neben dem Stuhl, Blut tropfte aus tiefen Schnittwunden. Zeige- und Mittelfinger standen in seltsamen Winkeln.

Der Tod nickte. „Das ist der Deal.“

Peter nahm die Sense und zerschnitt die Fesseln, Susan sackte zusammen, als er sie aus dem Stuhl hob.

„Chadija?“

„Ich wird schon nicht weglaufen. Trag sie raus. Sofort.“

Die Polizistin sah den beiden nach, wie sie durch die Tür gingen, hinter der sich wieder die Lagerhalle befand. Sie hörte ein Krachen. Die Halle würde dem Brand nicht mehr lange standhalten. Aber sie war ganz ruhig, während sie sich in einen Bürostuhl sinken ließ. Ihre Jeans war blutgetränkt und der Schmerz kehrte zurück. Sie hustete, der Qualm wurde dichter und schwärzer, Chadijas Augen brannten davon.

Zwei Gestalten traten in den Raum. Mit öliger Haut und Zähnen, wie Nadeln.

„Ach du scheiße. Nicht Ihr schon wieder,“ presste Chadija zwischen den Zähnen hervor.

„Du hast unsere Fragen nicht beantwortet“, sagte Munkar.

„Dafür gehörst Du bestraft“, sagte Nadir.

„Das spielt so was von keine Rolle,“ lachte Chadija.

Munkar und Nadir sahen einander an.

„Mein Glaube ist meiner allein, ich brauche keine Schreckensgestalten, die mich daran erinnern.“ Sie hustete wieder und der Rauch brannte in ihrer Lunge.

„Wer ist Dein Gott?“, fragte Nadir.

„Wer ist Dein Prophet?“, wollte Munkar wissen.

„Diese Fragen muss ich nur mir selbst beantworten.“ Sie lachte, bis ihr schlecht wurde und sie wieder husten musste. „Verschwindet, ihr habt keine Macht mehr über mich.“

Munkar und Nadir hoben ihre Eisenkeulen, aber Chadija lehnte sich nur zurück, schloss die Augen und grinste. „Kommt wieder, wenn ich wirklich tot bin. Heute will ich nicht.“

"Ich hasse es, wenn sie einen freien Willen haben", klagte Munkar und ließ die Keule sinken.‎

"Macht keinen Spaß so", ergänzte Nadir.‎

Dann war Chadija allein, die Fenster klirrten und sie spürte die Hitze auf der Haut. Aber sie wusste, dass sie nicht sterben würde, bis sie das Bewusstsein verlor.‎ 


Sie wachte im Krankenwagen auf, eine Sauerstoffmaske bedeckte Nase und Mund. Sie versuchte die Hand zu heben, aber der Sanitäter hielt sie zurück.

„Die Maske bleibt, wo sie ist. Rauchvergiftung, aber das wird schon wieder.“

„Susan?“

„Die andere Frau? Ihr geht’s gut. Keine lebensgefährlichen Verletzungen, aber sie steht unter Schock.“

Chadija nickte und starrte gegen die Decke des Krankenwagens. Dann lächelte sie. Horst saß auf dem Beifahrersitz und schaute sie an.

„Ich bleibe noch ein bisschen, wenn Du nichts dagegen hast“, grinste er.

 

-- ENDE --