Im Sturm

Die Donna Anna schlug sich durch die dunklen Wellen, stürzte in die Wassergräben und die Gischt schlug über dem Ruderhaus zusammen. Kein Mond und keine Sterne. Alles war Dunkel und Schatten, nur die Notbeleuchtung gab ein wenig Licht in der Kajüte.
Jan hielt das Steuerrad fest umklammert und versuchte das Boot in der tobenden See im Wind zu halten. Wie lange seine Nussschale dem Ansturm der Wogen noch standhalten würde, wagte er nicht abzuschätzen. In den vielen Jahren auf See hatte er so einen Sturm noch nicht erlebt.

Maria stand am Fenster und schaute hinaus in die brodelnden Wellen über dem Meer, drehte die Flasche Killkenny in der Hand und wagte nicht, sie in den Müll zu werfen, weil es ein böses Omen sein könnte. Sie betete still, dass Jan zurückkommen würde. Aber der Ozean schien heute Nacht hungrig nach Seelen zu sein.

Gierig krachend schlugen die Wasser über Jans Boot zusammen. Bei gutem Wetter war die Donna Anna eine Pracht. In dieser Nacht jedoch knarrten die Planken und stöhnte das Holz bei jedem Brecher. Es war nur eine Frage Zeit, bis das morsche Holz nachgeben musste.
Tief tauchte der Bug in die nächste Wasserwand und Anna ächzte unter dem Gewicht, das versuchte sie zu zerschmettern.

Maria zündete ein Licht an. Die Bienenwachskerze, die Jan ihr auf dem Weihnachtsmarkt gekauft hatte. Nur eine kleine Geste der Hoffnung und der Wusch, diese winzige Flamme möge ihren Geliebten nach Hause und in den sicheren Hafen leiten.

Ein Blitz erhellte für einen Moment das Deck der Fischerboots. Der Ausleger war bereits gebrochen, erkannte Jan und von den Netzen fehlte jede Spur. Nicht mehr lang, dann würde sein fleischlicher Körper als Futter für den Krill zum Meeresgrund sinken. Doch noch nicht sofort, noch hatte ihn die letzte Hoffnung den Sturm durchzustehen nicht verlassen.

Marias Finger schlossen sich fest um die Kerze, so fest das es schmerzte. Sie wollte Jan in den Armen halten, ihn bitten die Fischerei aufzugeben. Sie wollte ihn zurück hier bei sich und nicht da draußen, wo es so gefährlich war, wo sie immer Angst um hin hatte. Wo sie jede Minute, die er da draußen war zitterte ob er zurückkommen würde.
Er musste wiederkehren, er musste. Sie klammerte sich an den Gedanken, wie an eine Rettungsring.

Jans umklammerten das Ruder, dass die Knöchel weiß wurden. Er fühlte seine Kräfte schwinden und betete, das der Motor weiter tuckern würde. Mit jeder Minute, die verging fiel es ihm schwerer das Boot auf Kurs zu halten. Ein Augenblick der Unachtsamkeit würde genügen und die Donna Anna würde von den Wassermassen zum Kentern gebracht.
Mit letzter Kraft stemmte sich Jan gegen den Untergang, versuchte Zweifel und Ängste zu verdrängen und im hier und jetzt zu bleiben. Noch nicht, noch war er auch Kurs und Anna seetüchtig. Daran musste er festhalten. Und die Gischt schlug gegen das Glas.

Maria legte die Hand an das kalte Fenster. Regen hämmerte dagegen, als wollte er sagen, jene Seite und all die Seelen dort gehörten ihm. Sie ballte die Faust und wollte dem Sturm widersprechen, diese eine Seele gehörte ihr allen.
„Nicht Jan!“ rief sie in das Krachen des Donners.

Jan spürte, wie sich das Deck unter seinen Füßen verzog und spannte. Der Bug steckte tief in der aufragenden Wasserwand und das Positionslicht am Mast ließ das Meer rot und grün schimmern.
Das Bersten den ersten Spannten übertönte noch das Rasen der See.

Maria hörte das Holz der alten Fichte vor der Hütte bersten und Lachte, als der Blitz den fallenden Baum erhellte.

Jan warf eine Blume in das offenen Grab, und wünschte, der Sturm hätte ihn verschlungen.