Orangenmarmelade

„Orangenmarmelade! Ich hasse Orangenmarmelade“, schrie Gregor. Beim Aufspringen warf er den Stuhl um und der Kaffee schwappte bedrohlich in seiner Tasse.

„Reg' Dich nicht auf. Ich hab nur im Supermarkt daneben gegriffen“, versuchte seine Ehefrau ihn zu beruhigen. „Nimm doch erstmal Deine Herzpillen.“

Aber Gregor stapfte mit rotem Kopf in der Küche umher. „Ist doch nicht so schlimm. Du kannst doch noch ein Ei nehmen.“

„Was? Zwei Eier zum Frühstück. Willst Du mich umbringen. Das ganze Cholesterin!“

Gerda zuckte mit den Schultern und schob die Pillendose über den Tisch.

„Nimm Deine Pillen, dann fühlst Du Dich gleich besser“, sagte sie.

Aber Gregor hörte gar nicht mehr hin, er griff nur nach der Dose, dann war er bereits raus aus dem Haus und lief Schneisen in den Schotter der Einfahrt.

„Gregor!“ rief Gerda durchs Fenster. „Bring doch den Müll an die Straße, wenn Du schon draußen bist.“

Doch Gregor hörte sie nicht, oder wollte nicht hören. Statt dessen erklomm er die Leiter zum Baumhaus.

„Du wirst Dir noch das Genick brechen“, schrie Gerda und grinste, als sie das Fenster schloss und die Vorhänge zuzog.

Sie lauschte noch einen Moment auf das gedämpfte Brüllen ihres Ehegatten. Als es nachließ, ging sie zur Hintertür.

„Ist er fort?“ flüsterte Pedro, der Latino, leise, als sie ihm öffnete.

„Ja, der ist versorgt. Der stört uns bestimmt nicht mehr. Lass uns endlich gehen.“

Gemeinsam schlichen sie den Pfad zum Bootshaus hinunter.

Plötzlich krachte es im Gebüsch hinter ihnen.

„AHA!“, brüllte Gregor und stürmte auf das Paar zu. Pedro kauerte sich hinter eine Esche, aber der zornige Ehemann setzte ihm nach.

„Dir wird ich’s zeigen.“

„Deine Pillen. Hast Du Deine Pillen genommen?“, säuselte seine Frau hinter ihm.

„Die verfluchten Pillen!“, schrei Gregor. Er zog die Dose aus der Tasche und schüttete sich die Medikamente in den Hals.

„So! Zufrieden? Gibst Du jetzt endliche Ruhe, dass ich den verdammten Latino umbringen kann?“

„Ja“, sagte Gerda und beobachtete ihren Mann, wie er ihren Liebhaber um den Baum scheuchte. Sie schaute auf die Uhr und dann zurück zu den Beiden. Gregor hatte Pedro am Kragen erwischt und holte zum Schlag aus. Aber dann fasste er sich plötzlich an die Brust und sackte röchelnd zusammen.

„Hab doch gesagt, dass Du einen Herzinfarkt bekommst“, sagte sie.

„Madre de Dios!“, sagte Pedro voller Inbrunst. „Ich dachte, der wär schon tot.“

Gerda zuckte mit den Schultern.

„Er mag halt keine Orangenmarmelade, sonst hätte er die Giftpillen bestimmt schon zum Frühstück geschluckt.“

Dann stieg sie über die Leiche, nahm Pedro bei der Hand und sie gingen gemeinsam zum See.