Sam

Sam stand in der dunklen Seitengasse und beobachtete, wie zwei Jugendliche einen Penner zu Tode prügelten. Sie traten den Mann und lachten noch dabei. Sie waren betrunken. Als sich der Penner nicht mehr rührte, torkelten sie Richtung Hauptstraße.

Sam näherte sich dem Sterbenden und schaute ihm ins zerschlagene Gesicht. Sam legte ihm die Hand auf die Schulter und der Mann starb. Seine Seele fand ihren Weg in die Hölle, denn er war ein Kinderschänder gewesen.

Sam schaute hinauf zu den Sternen, die sich hinter den Wolken verbargen, dann ging er weiter. An der Hauptstraße ging er in eine andere Richtung, als die Jugendlichen, an ihnen war er nicht interessiert. Bei einer Kreuzung setzte Sam sich auf eine Bank und beobachtete den Verkehr, der in diesen frühen Morgenstunden noch nicht sehr dicht war.

Eine junge Frau kam viel zu schnell die Straße herunter und prallte frontal gegen einen Müllwagen, der für sie unerwartet aus einer Seitenstraße kam. Sam stand auf, um auch Ihrer Seele den Weg zu weisen. Sie war Mutter von zwei Töchtern 9 und 12, die jetzt alleine zurechtkommen mussten, denn der Vater war abgehauen.

Der grüne Seat war zusammengedrückt, wie eine Ziehharmonika. Der Müllwagen hatte kaum eine Schramme. Sein Fahrer saß noch unter Schock stehend am Lenkrad und starrte auf seine Hände.

Die Frau kletterte aus dem Fenster des Totalschadens und taumelte auf die Straße, auf Sam zu. Sam blieb stehen, dann fiel sie in seine Arme.

„Oh Gott,“ murmelte sie. „Gott sei Dank für Airbags. Ich muss mich einen Augenblick hinsetzen.“

Sam half der Frau bis zu der Bank, auf der er selbst von ein paar Augenblicken gesessen hatte.

„Oh je, meine Beine fühlen sich an, wie aus Gelee. Wissen Sie, ich habe zwei Töchter.“

„Ja.“

„Was hätten sie ohne mich gemacht.“

Sie wären ins Heim gekommen, dachte Sam, die jüngere hätte mit 18 geheiratet, wäre mit 22 Mutter geworden und mit 69 gestorben, die ältere hätte studiert, wäre mit 78 an einem Herzinfarkt gestorben.

Sie saßen einen Augenblick schweigend auf der Bank und schauten auf das Wrack des Kleinwagens. Der Fahrer des Müllwagens war inzwischen aus der Fahrerkabine geklettert und um den Unfallort herumgelaufen, dann zog er ein Mobiltelefon aus der Tasche.

„Er ruft die Polizei.“ vermutete die Frau.

Sam nickte.

„Was ist das für ein Licht?“ wollte sie dann wissen.

„Der Himmel.“

„Dann bin ich doch gestorben?“

Sam nickte. „Sie waren sofort tot.“

„Ich dachte, ich hätte Glück gehabt.“

Sam schüttelte den Kopf, dann sagte er: „Ihr Geist hat sich allein vom Körper gelöst.“

„Ist das Glück?“

„Ich weiß es nicht, aber so kann ich Ihnen sagen, dass es Hanna und Julia gut gehen wird, für viele Jahre.“

„Danke.“ antwortete die Frau.

Sam schaute ihr nach, bis das Licht wieder verschwand. Dann ging er weiter.