Star Trek - Untold Stories

Basierend auf dem Film "Star Trek 11" wird die Geschichte der Ärztin erzählt, die James T. Kirk zur Welt brachte.

Oh, ich mag es gar nicht, wenn man mein Leben auf diese schrecklichen paar Minuten reduziert, als ob da sonst nichts passiert wäre. Es stimmt schon, so aufregend ist mein Leben nie wieder geworden, aber dafür sehr viel verwirrender.

Mein Name ist Joma Der und ich bin Ärztin in der Sternenflotte. Dir ist wahrscheinlich gleich aufgefallen, dass ich kein Mensch bin. Meine, im Vergleich zu Deinen, sehr großen Augen verraten das auf den ersten Blick. Aber abgesehen davon sehe ich den Menschen äußerlich sehr ähnlich. Ich habe meine Doktorarbeit über die vergleichende Physiologie von Menschen und Darianern als Subgruppe der humanoiden Spezies im Universum geschrieben. Bitte entschuldige, wenn ich da ein wenig abschweife, das interessiert Dich vielleicht gar nicht.

Was man mir nicht ansieht, und was auch unter den Darianern eine seltene Gabe ist - ich betrachte es eher als einen Fluch, ist meine Sensitivität für Zeit. Damit meine ich nicht das Vergehen der Zeit, wie man es auf alltäglichen Zeitmessern nachvollziehen kann, sondern für die unterschiedlichen Möglichkeiten, die der Zeitstrom mit sich bringt.

Ich habe mir ein kleines Beispiel ausgedacht: Ob ich mich beim Frühstück für Toast mit Marmelade oder Käse entscheide, mag für die meisten Lebewesen kein großes Problem darstellen - ich habe dieses Frühstück übrigens auf der Erde kennen und schätzen gelernt. Aber wenn ich beim Frühstück nicht festen Willens das Eine oder Andere wähle, dann schmeckt es nach Käsemarmelade.

Wie gesagt, das ist nur ein Beispiel, aber als solches ganz gut. Normalerweise gibt es diese Überlappungen nicht, eine Entscheidung hat definitiv Konsequenzen und so eine Überlagerung dauert vielleicht nur Bruchteile von Sekunden. Man kann sich das wie das Zusammenbrechen einer Meereswelle vorstellen. Draußen auf dem Meer ist sie weit ausgedehnt und beinhaltet noch alle Möglichkeiten - Käse oder Marmelade, um bei dem Beispiel zu bleiben. Aber kommt die Welle an den Strand, dann verliert sie an Breite und die Möglichkeiten fallen auf eine einzige zusammen. Die Entscheidung ist gefallen und ihre Konsequenzen haben Auswirkungen auf die Möglichkeiten aller weiteren folgenden Entscheidungsprozesse. Entscheidungsprozesse, das hört sich vielleicht so an, als ob ein Bewusstsein dabei sein müsste, aber das stimmt nicht immer, denke dir, dass jede Wechselwirkung mit der Umgebung bereits die Möglichkeiten einschränkt. Die Steine und der Sand am Strand genügen, um die Welle brechen zu lassen.

Du kannst Dir vorstellen - nein, ich bin sicher, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie es mein Leben über den Haufen geworfen hat, als plötzlich dieses verdammte Raumschiff aus der Zukunft vor der USS Kelvin aufgetaucht ist.

Im ersten Augenblick habe ich nur gedacht "Scheiße, was ist das denn" und gleichzeitig "wo ist noch das Formular 15-12b". Und von diesem Moment an sehnte ich mich quasi nach Käsemarmelade zurück, denn das wäre ein Problem, mit dem ich mich hätte arrangieren können.

Meine ersten Handlungen in den sich überlappenden Zeitströmen unterschieden sich nicht sonderlich von einander.

In der einen Zeit erledigte ich also etwas Papierkram, während ich den Wehenmonitor von Frau Kirk im Auge behielt. In der anderen versorgte ich verwundete Besatzungsmitglieder.

Vielleicht bin ich während der Evakuierung nur deshalb so ruhig geblieben, weil ein Teil von mir eine ganz normale Geburt an Bord eines Raumschiffes überwachte. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich ein Mittel spritzen sollen, dass die Wehen verzögert und den Weg zu Rettungskapsel für Frau Kirk leichter gemacht hätte. Aber hinterher ist man immer schlauer, wie ihr Menschen gern sagt.

Mein Leben in den beiden Zeitlinien wieder auf eine Reihe zu kriegen, hat mich den Rest meines Lebens - meiner drei Leben, um genau zu sein, aber dazu kommen wir noch - in Atem gehalten.

Aber kommen wir zurück zu meiner Geschichte. Ich war mir lange nicht sicher, ob es zu damals eine Geschichte war, oder zwei. Für mich waren die beiden Zeitstränge immer miteinander verwoben, obwohl ich mich mit dem zerstörten Vulkan immer besser - nein, besser ist definitiv das falsche Wort - heimischer gefühlt habe. Ich blieb selbstverständlich bei der Sternenflotte, aber ich konnte nicht auf der Kelvin bleiben. Ständig mit Leuten umzugehen, die ich sterben sah, hätte mich wahnsinnig gemacht. Und an manchen Tagen war ich wirklich nah dran.

Ich weiß, das ist jetzt schwer zu verstehen, aber dieses Ereignis hat nicht nur den bestehenden Zeitstrom verändert, es hatte auch Auswirkungen auf den ursprünglichen Verlauf. Stell Dir vor, dass jetzt zwei Meereswellen auf den Strand laufen, jede spürt andere Steine im Sand, aber sie beeinflussen sich gegenseitig. Es ist erstaunlich, dass ich 120 Jahre alt werden musste, bis ich einen Artikel über Zeitphysik in die Finger bekam, der das so verständlich erklären konnte - nicht dass 120 alt wäre, nicht für eine Darianerin, wir können über 300 Erdenjahre alt werden.

Es war etwa fünf Jahre nach dem Ereignis - ich weiß nie, wie ich das benennen soll. Ich hatte auf der USS Newton angeheuert ein wirklich winziges Forschungsschiff, das nichts anderes tat, als unbewohnte Sonnensysteme zu kartografieren und eventuell vorhandene Bodenschätze zu registrieren. Du musst Dir vor Augen halten, dass Vulkan zu dieser Zeit noch existierte, die Zerstörung der USS Kelvin war tragisch, aber es betraf noch nicht das ganze bekannte Universum.

Ein Teil der Crew der Newton war abgelöst worden - man kann sich tote Planeten nur eine Zeit lang ansehen, bevor man wieder unter Lebewesen musste. Und diese eine Person in der neuen Crew kam mir am Anfang nur etwas merkwürdig vor. Bis mir auffiel, dass ich beim besten Willen nicht sagen konnte, ob es ein Mann namens Gunnar oder eine Frau, die sich Kathrin nannte, war.

Schlimm genug, dass ich dachte, er wäre lesbisch, als er mich auf einen Drink einladen wollte. Als ich Gunnar beinahe ein Mittel gegen prämenstrualen Stress verschrieb, wusste ich, dass ich die Newton verlassen musste, wenn ich nicht durchdrehen wollte.

Es dauerte eine Weile, bis ich in den Personalakten nachlas, dass Kathrin auf der USS Kelvin gestorben war - und glaube mir, mir taten die Augen weh, als ich Gunnars Akte durchging und dabei versuchte, mich auf Kathrins Aufzeichnungen in der Parallelzeit zu konzentrieren. Aber dann hatte ich eine Idee: als ich die Akten nicht nach Crewmitgliedern, sondern nach Sternenflottenzugehörigkeit anzeigen ließ, war das einzig Verwirrende an Kathrins Bericht, dass er gleichzeitig in der Gegenwarts- und in der Vergangenheitsform geschrieben war.

Mir war klar, dass die Zerstörung der USS Kelvin den Zeitstrom über den Haufen geworfen hatte, aber wem hätte ich davon erzählen sollen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der zweite Spock auftauchte, hätte niemand verstanden, wovon ich redete. Angeblich hat Spock erzählt, dass es keine Paradoxa bei Zeitreisen gibt. Ich könnte ihm dafür die spitzen Ohren lang ziehen - mein Leben war seit jenem Tag ein einziges Paradox.

Episoden, wie die obige kamen immer wieder vor, aber ich gewöhnte mich langsam daran und meinte fast, damit leben zu können. Es war wie eine leichte Form der Schizophrenie. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich über einen Teil meines Lebens keine Kontrolle hätte, aber mir war bewusst, dass das ein ganz anderes Leben war. Mit den Jahren trat es in den Hintergrund. Ich denke heute, dass sich die Zeitlinien wieder aneinander anpassten. Sozusagen versuchten, die Änderungen, die durch das Ereignis eingetreten waren, auszubügeln - ich weiß, das kling nicht sehr wissenschaftlich, vielleicht sogar esoterisch, aber ich bin Ärztin und keine Physikerin.

Und dann wurde Vulkan von diesem Schwarzen Loch verschlungen. Das Leben von Milliarden von Vulkaniern wurde ausgelöscht - und das ist eine fürchterliche Sache. Aber mein Leben, wie es sein sollte, hat an diesem Tag auch aufgehört und ich hatte bis heute niemanden, dem ich diese Geschichte erzählen konnte - wer hätte mir geglaubt.

Ich bekam schwere Depressionen, in der anderen Zeit sah ich immer wieder Vulkanier, und sie waren alle tot. Ich konnte den Überlebenden kaum ins Gesicht sehen und zog mich immer mehr zurück.

Ich war nah dran, meinen Posten bei der Sternenflotte aufzugeben und mich auf irgendeinen verlassenen Felsen am Rande der Galaxis beamen zu lassen.

Auf der andern Seite wurde es aber leichter, meine beiden Leben auseinander zu halten. Die Zeitströme unterschieden sich bald so sehr, dass ich besser darin wurde, sie in meiner Wahrnehmung auseinander zu halten.

Mir war nicht bewusst, wie Vulkanier das Leben in der Sternenflotte und auf der Erde geprägt hatten. Sie waren immer noch da, aber es fehlte der Einfluss ihres Heimatplaneten und Ihre Kultur litt darunter. Diese Spitzohren waren schon immer etwas seltsam, aber jetzt versuchten Sie etwas aufrecht zu erhalten, das nicht mehr da war. Sie entwickelten sich nicht mehr weiter. Es war grausam zu sehen, was hätte sein können und was war.

Aber ich will jetzt nicht über die Vulkanier reden.

Es muss etwa fünf Jahre nach der Zerstörung Vulkans gewesen sein - seltsam, wie so ein Ereignis unser Bezugssystem auf die Zeit verändert.

Es gab eine Fehlfunktion des Eindämmungsfelds am Impulsantrieb. Zu der Zeit leitete ich die medizinische Abteilung der USS Darwin.

Ich musste hier einen Assistenten einweisen, den ich bei einer Untersuchung unterwies, während ich dort einen erfahrenen Vulkanier dafür hatte. Ich schickte also in der einen Zeit einen Freund und Kollegen und schnappte in der anderen den Notfallkoffer, um mich selbst um den Verletzten zu kümmern. Ich starb, als das Eindämmungsfeld brach und das Plasma in die Jeffries-Röhre strömte. Und lebte, weil ich einen guten Freund in den Tod geschickt hatte.

Es ist ein Klischee, sich nach dem Tod eines Freundes zu fragen, was wäre, wenn man selbst an seiner Stelle gegangen wäre. Ich musste genau das durchleben. Ich sah unsere Freunde trauern und wünschte mir, ich wäre an seiner Stelle in die Röhre geklettert. Und ich war an seiner Stelle in die Röhre geklettert und brauchte nicht sehen, wie unsere Freunde um mich trauern würden - mir schien, das sei leichter zu ertragen.

Es war traumatisch, ich wäre fast daran zerbrochen und es fällt mir auch jetzt noch schwer, darüber zu sprechen.

Es war auch eine Erlösung.

Endlich war ich wieder allein in meinem Universum. Etwas fehlte, aber wie kann ich um mich selbst trauern, wenn ich hier bin und mit Dir rede.

Etwa dreißig Jahre hatten wir unsere unterschiedlichen Zeiten geteilt und plötzlich vermisste ich etwas, dass ich immer nur hatte loswerden wollen.

Dieser Zustand hielt aber nur ein paar Wochen an, dann fing ich an, dumpfe Geräusche zu hören. Man sollte meinen, als Ärztin hätte ich schneller erkennen sollen, was das war, aber es war nur leise im Hintergrund, nicht wichtig, nichts was meine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Es waren Herzschläge und das Geräusch von Blut, das durch Adern floss.

Eines Abends im Bett wurde mir plötzlich klar wurde, dass da ein Bewusstsein am erwachen war. Ich war wieder da, und ich war dabei, in dem anderen Zeitstrom wiedergeboren zu werden - zumindest dachte ich das.

In den ersten Jahren konnte ich nicht viele Eindrücke deuten, was sieht ein Kleinkind schon von der Welt, aber mit der Zeit wurde mir klar, dass in der Welt, die ich jetzt sah, Vulkan ebenfalls zerstört worden ist. Ich glaube heute, es waren nie wirklich zwei Zeitströme waren, die nebeneinander herliefen, sondern wahrscheinlich nur einer und was ich spürte und sah waren Möglichkeiten, wie die Zeit hätte verlaufen sollen - es aber nicht tat.

Wie dem auch sei, von diesem Tag an existierte nur noch eine Zeit für mich, aber trotzdem ein zweites Bewusstsein, mit dem ich mich verbunden fühlte.

Seit diesem Augenblick habe ich alles daran gesetzt, Dich zu finden. Es war keine leichte Aufgabe, denn soviel wir auch gemeinsam hatten, ich war nicht in der Lage, Dir eine Nachricht zu schicken. Unsere Verbindung schien eher in meine Richtung zu gehen. Oder Du warst Dir nicht bewusst, was Deine lebhafte Fantasie zu bedeuten hatte.

Aber als Du älter wurdest, bekam ich mehr Hinweise auf Deinen Aufenthaltsort und jetzt habe ich Dich endlich gefunden. Ich weiß, das hört sich alles merkwürdig an, aber Deine Eltern haben mir bei unserer letzten Subraumkommunikation erzählt, dass Du Ärztin werden möchtest und lebhafte Geschichten aus der Sternenflotte erzählst.

Da wusste ich, dass wir uns sehen mussten, denn wann trifft man schon mal seine eigene Reinkarnation.