Las Vegas

Es war zwei Uhr morgens. Joe saß am Spielautomaten und fütterte ihn mit Münzen. Er hatte sich einen ganzen Becher geben lassen und der war immer noch halb voll mit Vierteldollars. Joe langweilte sich zu Tode. Kaum zu glauben, dass man sich in Las Vegas langweilen konnte, aber Joe hatte es geschafft, er war völlig blank - bis auf die letzten Münzen, sein Flug nach Hause ging erst in zwei Tagen. Das Hotel war all-inkl., aber was sollte, man in einer Stadt anstellen, in der nichts ohne Geld funktionierte.

Joe stand von seinem Automaten auf und ging ein paar Schritte. Hinter ihm besetzte eine Rentnerin seinen Automaten stopfte ein paar Münzen hinein und knackte den Jackpot.

Joe zuckte mit den Schultern. Das war sein Leben, selbst wenn der Hauptgewinn greifbar nahe war, dann sicher nicht für Joe.

Eigentlich hatte er gestern Judy heiraten wollen, aber dann war sie mit dem Barkeeper und seiner Kreditkarte abgehauen. Joe hatte die Karte sperren lassen und dann gemerkt, dass sie zusammen mit seinem Flugticket in dem Kuvert steckte, in dem er auch den Abschiedsbrief gefunden hatte.

„Mit uns wird das nichts, sorry.“ Hatte sie geschrieben.

Joe zog sich an die Bar zurück und zählte ein paar Münzen ab, um sich einen Drink mixen zu lassen.

„Ist der Stuhl noch frei?“ Joe sah die Frau nicht einmal an, sondern studierte das Eis in seinem Glas. Er nickte, nahm einen Schluck und drehte sich dann langsam zu ihr um. Nicht seine Liga. Sie war sehr schön, mit dunkel blonden Haaren, die bis über Ihre Schultern fielen, und trug einen dunklen Hosenanzug mit weißer Bluse. Sie lächelte kurz und wandte sich dann dem Barkeeper zu. Ließ sich einen Scotch bringen.

"Was für ein Tag," sagte sie. Joe blickte sich um, es war außer ihm tatsächlich niemand in Hörweite. Aber sie redete mit dem Spiegel hinter der Bar. Joe nahm einen Schluck.

"Verflucht. Küssen Sie mich." plötzlich hatte sie Joe bei den Schultern gepackt.

"Hä?"

"Bitte. Da kommen die Freunde meines Verlobten, die sollen mich nicht erkennen. Ich will den Typen nicht heiraten." Sie schaute sich schnell in alle Richtungen um. Joe folgte ihren Blicken, da waren tatsächlich ein paar Typen, die sich suchend Ihren Weg durch die Lobby bahnten. Als Joe sich wieder zu der Frau umdrehte, hatte er auch schon ihren Mund in seinem Gesicht. Erst war Joe überrascht, aber der Kuss war angenehm und nach einem Augenblick entschied er sich sein Glück zu genießen, solange es dauerte.

Das waren etwa zehn Sekunden. Dann wurde er am Kragen gepackt und hochgezogen. "Hallo Stephanie. Na da wird sich Henry aber freuen, das wir Dich gefunden haben." begrüßte der Kerl die Frau. Dann sah Joe eine Faust auf sich zukommen und alles wurde Schmerz und dunkel.

Stephanie gab Joe eine Ohrfeige. "Wach auf." Joe pellte ein schmerzendes Augenlied nach dem anderen nach oben. Sie befanden sich in einer kleinen Hütte. Die Sonne brannte auf das Blechdach und hatte das Zimmerchen in einen Ofen verwandelt. Joes Zunge fühlte sich trocken und pelzig an. Es roch nach trockenem Sand und Wüste. Sein rechtes Auge tat weh, wo ihn die Faust getroffen hatte.

Stephanie fummelte an den Seilen, die Joes Hände hinter seinem Rücken festhielten. "Zappel nich' so. Wir müssen hier verschwinden, bevor Tom und Daniel wiederkommen."

"Was ist hier los?"

"In Kurzfassung: Henry ist der Erbe des Cesars Palace und er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er sich in mich verliebt hat. Eigentlich will er mich aber nur besitzen und seiner Trophäensammlung hinzufügen. Ich wünschte ich hätte hinter seinem schönen Getue früher gemerkt, dass er ein Psychopath ist."

Joe nickte und rieb sich die brennenden Handgelenke, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. "Und was mach ich hier?"

"Ja, sorry. Meine Schuld. Bestimmt will Henry jetzt ein Exempel an dir statuieren, damit ich nicht mit anderen Männern rummache."

Joe ließ die Schultern hängen und schaute auf die Uhr. Noch 28 Stunden, bis sein Flieger ging und seine Münzen standen wahrscheinlich noch im Hotel an der Bar.

"Komm endlich, oder möchtest Du Tom und Daniel nochmal begegnen?"

Joe schüttelte den Kopf und beobachtete Stephanie, wie sie an der Tür rüttelte. "Tritt da mal gegen. Der Riegel kann nicht so stabil sein."

Joe trat. Nichts passierte, nur sein Knöchel fing an zu schmerzen. Dann versuchte er es mit der Schulter. Die Tür sprang auf, Joe stolperte in die flirrende Hitze Nevadas und fiel in den Dreck vor der Hütte. Jetzt tat ihm auch noch die Schulter weh.

"Keine Zeit zum Ausruhen. Wir nehmen die Abkürzung durch die Wüste." Sie zog ihn hoch und stapfte davon."

"Welche Richtung?" wollte Joe wissen.

"Da lang. Henrys Hütte steht etwas südlich von Bonnie Springs. Wir überqueren Highway 159 und müssten nach höchstens 10 Meilen den Siena Golf Club erreichen. Henry und ich sind Mitglieder im Golf Club. Da bekommen wir was zu trinken."

Joe folge Stephanie. Bis zum Highway war die Wüste relativ Flach und sie kamen auf dem trockenen Boden gut voran. Hinter dem Highway - Joe fragte sich, wieso sie nicht ein Auto anhalten könnten, aber er sagte nichts, seine Zunge fühlte sich an wie ein alter Perserteppich. Hinter dem Highway fingen die Berge an. Bei 40° im Schatten waren 800 Fuß bis zum Rücken des Blue Diamond Hill eine Strapaze und es war noch nicht einmal Mittag. Im Gegenzug war die Aussicht vom Berg umwerfend, aber Joe hatte kein Auge dafür. Das eine war blau und fast zugeschwollen, das andere fest auf den steinigen Pfad gerichtet, dem sie folgten. Stephanie schien sich auszukennen und war inzwischen barfuß unterwegs. Die Strümpfe lugten aus der Hosentasche. Joe hatte auch versucht die Schuhe auszuziehen, hatte sich aber gleich am ersten Stein geschnitten und schlitterte dann lieber weiter auf Ledersohlen über das Geröll.

"Heirate mich," schlug Stephanie vor. Joe versuchte den Kopf zu heben, um sie anzusehen, aber sein Nacken schmerzte und er spürte den Sonnenbrand am Haaransatz.

"Dann kann Henry keinen Anspruch mehr auf mich erheben." Sie hatte ihren Blazer um die Hüften geschlungen und ein Kopftuch schützte ihren Scheitel vor der Hitze.

"In Las Vegas kann an ganz flott Heiraten. Hast Du Deinen Führerschein?"

Joe tastete nach der Brieftasche in seiner Gesäßtasche und nickte.

"Prima. Du rettest mir wirklich das Leben. Wenn erst Gras über die Sache mit Henry gewachsen ist, können wir uns ja wieder scheiden lassen." Sie half ihm, eine besonders steile Passage zu überwinden. "Du bist nicht verheiratet oder? Ich sehe keinen Ring."

Wenn Joes Zunge das zugelassen hätte, hätte er gelacht, aber sie fühlte sich an, wie ein trockener Kuhfladen und deshalb schüttelte er nur den Kopf.

"Wunderbar. Pass auf, der Abstieg ist etwas steil." Aber da rutschte Joe schon. Es war ein gutes Gefühl endlich liegen zu bleiben und zu hoffen, dass die Geier Schluss mit ihm machen würden. Zwei Rippen machten sich jetzt bei jedem Atemzug bemerkbar und der rechte Arm sah aus, als wäre er durch einen Dornenbusch gezogen worden. Joe sah das Gestrüpp ein paar Fuß höher, wo Stephanie von einem Stein zum anderen sprang, um ihm zu folgen.

"Geht's Dir gut? Kannst es wohl nicht abwarten."

Joe versuchte zu grinsen und spuckte etwas Blut und einen Zahn unter die Sträucher. Stephanie half ihm hoch. "Du solltest den anderen Hemdsärmel auch abreißen. So sieht das etwas unegal aus."

Die nächste halbe Stunde folgten Sie einem ausgetrockneten Flusslauf. Stephanie musste Joe stützen, denn auch der Knöchel, der nach dem Tritt gegen die Tür nur protestiert hatte, fing an dicker und dicker zu werden.

"Höchstens eine Meile noch. Da vorne kann man schon das Grün des Golfplatzes erkennen.

Endlich humpelten sie auf den Rasen, ein paar Golfer flohen erschreckt mit den Golfcarts. Joe klatschte in einen kleinen künstlichen Teich, aber Stephanie rettete ihn vorm Ertrinken. Etwas abgekühlt ließen sie sich auf die Terrasse des Klubhauses fallen. Stephanie bugsierte Joe in einen der bequemen Stühle und winkte einen Kellner heran.

"Bringen sie bitte zwei King Island Cloud Juice." Und an Joe gewandt: "Das geht auf Henrys Konto. 81 Dollar die Flasche - tasmanisches Regenwasser."

Hauptsache Nass verlangte der modrige Holzblock in Joes Mund. Der Teich war schon erfrischend gewesen. Joe wäre gern den Rest seines Lebens darin liegen geblieben.

Das Wasser schmeckte nach Wasser. Das war gut genug für Joe. Wenn er jetzt noch irgendwo frische Klamotten, eine Bandage für seine Rippen und etwas Eis für Augen und Knöchel bekommen könnte.

"Komm. Trink aus. Die haben Henry bestimmt schon angerufen, wir müssen hier weg, bevor er auftaucht."

Joe nahm einen großen Schluck direkt aus der Flasche, hielt die Pulle fest und folgte Stephanie. Vielleicht war ja Pfand drauf.

"Nur noch ein paar Schritte die Tropicana Avenue hinunter, da kenne ich eine kleine Kapelle, wo wir heiraten können."

"Joe Martinelli. Möchten Sie diese Frau Stephanie Layman zu Ihrer Frau nehmen, dann antworten Sie mit Ja," intonierte der Priester im Elvis-Kostüm.

Joe starrte seine neue Verlobte an. Sie trug ein weißes Kleid und einen feinen Schleier über dem Gesicht. Joe fühlte sich in dem geliehenen Anzug auch schon viel besser, die Zunge war wieder auf Normalmaß geschrumpft. Und auch wenn er mit dem rechten Auge kaum noch gucken konnte, sah er mit dem linken eine sehr schöne Frau neben sich stehen.

Er schüttelte den Kopf. "Tut mir leid Stephanie. Das kann ich nicht tun."

Stephanie wollte gerade etwas sagen, als gegen die Tür getreten wurde. Das konnten nur Tom und Daniel sein, die sich abwechselnd dagegen warfen.

"Lasst uns rein, dann bringen wir euch schnell statt langsam um." brüllte eine Stimme.

"Ja, verdammt. Wo muss ich unterschreiben," änderte Joe seine Meinung.

"Hier, hier und hier.“ … „Sie dürfen die Braut jetzt küssen."

Stephanie schnappte sich die Papiere und die beiden stürmten zum Hinterausgang, wo bereits das Taxi zum Flughafen wartete. Joe klemmte sich die Finger, als er die Tür zuschlug.