Todeswunsch (Der Cop und der Tod VI)

Die Autotür schlug zu und weckte Chadija. Sie blinzelte in das Sonnenlicht, das ihr in der Nase kitzelte. Auf dem Beifahrersitz saß ein junges Mädchen, viel zu dünn angezogen für das nasskalte Wetter und schlug mit der flachen Hand nach dem Tod.
„Du bringst alles durcheinander“, schimpfte es.

Und Horst saß mitten in ihren Beinen. Schnell zog sie diese an den Körper und richtete sich auf. Horst sah sie kurz an, zog die Augenbrauen hoch und nickte dann nach vorn.

Das Mädchen trug eine Schuluniform, weißes T-Shirt, karierter Rock und die Blonden Haare waren zu Zöpfen geflochten, die von roten Schleifen gehalten wurden. Die Zöpfe wippten wütend bei jedem ihrer Wörter.

„Munkar und Nadir und haben mir tagelang in die Ohren geheult, weil Du ihr Spielzeug verschleppt hast.“ Sie schlug den Tod erneut mit, es konnte unmöglich wehtun, aber der Tod zuckte trotzdem zusammen.

„Du weißt doch, wie …“ – sie steckte die Arme gerade nach vorn – „… wie eingleisig die beiden denken.“ Sie schüttelte den Kopf und holte erneut aus.

„Fate!“ Ohne hinzusehen, fasste der Tod ihren Arm. „Lass das.“
Das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust. „Es hat mich eine Ewigkeit gekostet, die Auswirkungen von Martins Rückkehr auszubügeln und jetzt machst Du schon wieder alles kaputt.“

Chadija sah im Spiegel, wie Fate schmollte. „Was ist denn jetzt schon wieder los“, wollte die Polizistin wissen.

„Fate – Chadija. Chadija – Fate, Schicksal.“ Stellte Peter sie vor. Das Schicksal dreht sich zu Chadija um und sah sie mit wutfunkelnden Blicken an. „Warum fällst Du nicht einfach Tod um.“
Chadija wich zurück. „Was hab ich dir denn getan?“

„Du!“ Fate spuckte das Wort verächtlich aus und Chadija wischte sich die Tropfen von der Stirn. „Du bringst alles durcheinander. Ich hab meine Hausaufgaben gemacht, nach Martins Tod war alles so schön festgelegt. Ein schönes langweiliges Leben. Ein paar Verhaftungen, vielleicht noch ein Orden und dann … Warum erzähl ich Dir das is’ doch alles Egal.“ Fate ließ sich in den Sitz fallen und presste die Lippen aufeinander.

„Tut mir leid.“ Hörte Chadija sich sagen.

Das Schicksal zuckte mit den Schultern.

„Du machst das Schicksal für alle Menschen?“ erkundigte sich Horst neugierig und beugte sich so weit vor, dass er fast in Fates Rückenlehne steckte.

„Quark. Nur Europa und Nordamerika, nachdem ich diese Pocahontas rauschgeschmissen hab“, antwortete Fate und dreht sich halb im Sitz um. „Horst, nicht wahr? Ich glaube ich erinnere mich. Da hab ich ein paar schöne Momente hingekriegt was?“

„Ja, danke“, sagte Horst leise.

„Hallo?“ Mischte sich Chadija ein. „Vielleicht sollten wir wieder auf mich zurückkommen.“

„Was? Wieso? Hast Du mich noch nicht genug geärgert. Hast Du eine Ahnung, was das für Auswirkungen hat, wenn ich Dich leben lasse. Nach Martins Tod hatte ich Dein leben so schön geplant.
Belanglos und ohne große Wellen. Und jetzt.“ Sie ließ die Schultern hängen. „Wenn Du in Quebec ankommst, muss ich garantiert nachsitzen, um alles wieder glatt zu bügeln.“

„Aber das ist doch nicht meine Schuld.“

„Ach nee. Nich’ meine Schuld. Hab ja nix gemacht. Bla bla bla. Leg mal ne neue Platte auf, diese hat ’nen Sprung.“

„Peter hat mich gebeten.“ Sie zögerte „Genau genommen gezwungen ihm zu helfen.“

„Und dabei hättest Du draufgehen sollen. Ende Gut alles Gut.“
Chadija schüttelte den Kopf. „Nein, nichts ist gut. Das war nicht meine Zeit. Peter hat das auch gesagt.“

„Peter?“ Sie schaute zum Tod herüber “Ich hab es so geschrieben, also sollte es auch so sein.“

„Ich will aber nicht.“ Jetzt verschränkte Chadija die Arme und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie der Tod die Mundwinkel nach oben zog.

Das Schicksal presste die Hände auf die Ohren. „Freier Wille. La la la. Ich hör nix. Ganz und überhaupt nix. La la la.“

Der Tod zog Fates Hand herunter. „Komm schon, sei nicht so eine Spielverderberin.“

Das Schicksal kaute auf der Unterlippe und verdreht e die Augen. „Du machst mich schwach. Wenn da plötzlich jeder kommen würde.“

„Nein, nicht jeder. Nur ich.“

„Scheiße. Macht doch einfach, was ihr wollt. Ich krieg bestimmt ’n Mangelhaft dafür.“

„Munkar und Nadir?“ fragte der Tod.

„Die sind glücklich, wenn sie ihre Antworten bekommen, dann tun die nix.“

„Aber ich konnte nicht.“ Sagte Chadija.

Fate drehte sich zu der Polizistin um. „Das ist aber nicht meine Schuld, das sind Deine eigenen Zweifel, die Dich behindern. Damit musst Du selbst fertig werden.“ Und an den Tod gewandt. „Du kannst mich hier rauslassen.“

Chadija sah dem Schicksal nach, während es den Daumen ausstreckte und auf die nächste Mitfahrgelegenheit wartete.