Stoker und das Fax

Das ist Stoker, der Kater der Familie Brandstädter. Er liegt auf der Fensterbank, wo die warme Luft der Heizung sein Fell streichelt. Es wird dunkel draußen und Regentropfen schlagen gegen die Scheibe.
Stoker steht auf springt hinüber zum Sofa. Der Fernseher flimmert, aber Stoker interessiert das nicht, er kuschelt sich an Frau Sylvia Brandstädter. Sie krault ihn zwischen den Ohren. „Wir sind ein bisschen spät heute, gleich geht es ins Bett.“
Aus dem Arbeitszimmer kommen Geräusche. „Schatz“, ruft Sylvia, „hast Du’s bald.“
„Muss nur noch …“ Ein Surren ertönt, dann Töne. Stoker mit einem Ruck steht auf.
„Du hast den Kater erschreckt.“
Stoker stolziert ins Arbeitszimmer, es brennt noch Licht, viel Licht. Eine Kiste steht mitten im Raum. Aber im Moment sind es die Fremden Geräusche, die den Kater anlocken.
„Hallo Stoker. Das ist ein Fax.“
Der Kater faucht. „Keine Angst, das tut nix, aber da kommen Briefe raus. Genial was?“ Bernhard steht breitbeinig vor der neuen Errungenschaft. Stoker legt den Kopf auf die Seite, dann dreht er sich um und schleicht um die Kiste. Mit einem Satz ist er oben, mit einem zweiten mitten zwischen den Papierknäulen und den Styroporteilen.
„Sylvi, ich bring die Kiste morgen raus. Heute hat Stoker sie beschlagnahmt.“
Sylvia tritt in die Tür des Arbeitszimmers. „Na dann seid ihr ja beide glücklich“, lächelt sie. „Hätte der Computer nicht gereicht, können Deine Kunden keine E-Mail schicken?“
„Dem Einen oder Anderen fällt das tatsächlich schwer“, lacht Bernhard.
Das Licht verlischt und die beiden Menschen gehen aus dem Zimmer. Stoker steckt seinen Kopf aus seiner Kiste, alles ist dunkel, nur ein kleines grünes Licht schaut ihn von der neuen Maschine aus an. Stoker springt aus der Verpackung und wirft sie dabei um. Styroporteile fliegen umher. Vorsichtig nähert er sich dem Licht, es bewegt sich nicht. Noch einen Schritt näher, alles bleibt ruhig. Ein leises Brummen aus dem Gerät. Stoker brummt auch. Er schmiegt sich an das Gerät, reibt sein Fell daran.
Dann springt er auf das Fax, es ist glatt und ein wenig warm. Und es vibriert unter seinem Bauch. Die Tatze schlägt nach dem Licht, aber es flieht nicht, zuckt nicht einmal. Selbst als Stoker die Krallen ausfährt, rührt es sich nicht.
Er faltet, die Beine unter den Körper und dreht sich auf dem Fax zusammen, dann schließ er die Augen.
Plötzlich brummt es und piept es und es rattert unter dem Kater. Mit einem wütenden Fauchen springt Stoker von dem Fax, es riecht auch plötzlich komisch. Er läuft aus dem Zimmer.
„Ein Fax“, ruft Bernhard und springt aus dem Bett, um ins Arbeitszimmer zu laufen.
„Kannst Du das nicht morgen lesen“, murmelt Sylvia.
Bernhard stolpert. „Katze“, flucht er, während er versucht, das Gleichgewicht wiederzufinden. Stoker jault und faucht und schlägt mit den Krallen nach Bernhards nackter Wade. Er hinkt ein wenig mit dem Hinterbein.
„Bernhard?“
„Is’ nur eine Fleischwunde“, jammert Bernhard. Das Licht geht an.
„Stoker?“, will Sylvia wissen.
„Dem geht’s gut“, murrt der Mann.
„Bernhard!“
„Ich bin sicher er hat nix, aber ich bring ihn gleich morgen früh zum Tierarzt.“

Stoker mag den Tierarzt nicht und er weiß, dass es zu ihm geht, als er in die Plastikbox steigen soll. Er kratzt Bernhard und er kratzt Sylvia, aber dann schließt sich die Klappe hinter ihm. Er sieht die Welt vorbeiwandern, draußen, Auto, Haus des Tierarztes.
„Was haben wir denn?“, fragt Dr. Traberz, aber Stoker schaut ihn nur wütend an. „Wir machen eine Röntgenaufnahme. Nur zur Sicherheit.“
Bernhard verliert noch einige Streifen Haut als er versucht das wilde Tier auf dem Röntgentisch zu halten, dann geht es wieder zurück.

„Oh Du armer“, sagt Frau Brandstädter, als sie die Wunden ihres Mannes begutachtet. Der Kater springt unter die Kommode und schlägt mit den Krallen nach den vorbeigehenden Beinen.
„Aber Stoker hat nichts, der ist zäh. Der Doktor hat sogar ein Röntgenbild gemacht.“ Berhhard drückt seiner Frau die Aufnahme in die Hand.
„Chic. Unser Kater von innen. Wollen wir das im Schlafzimmer aufhängen?“
„Das sollten wir, war teuer genug.“
„Du bist ja toll drauf.“
„Dieses dumme Fax hat mich fast die Hand gekostet und ein kleines Vermögen.“
Sylvia drückte eine Kuss auf den Kratzer. „Besser?“
„Etwas.“
„Ruf doch mal bei Cäsar-Preller an, viellicht kann man da was machen.“
„Mach ich auch!“, schmollt Bernhard.
Der Kater folgt den beiden Menschen ins Arbeitszimmer, als er das Faxgerät sieht, bleibt er kurz stehen, aber dann geht er forsch darauf zu, faucht es an und springt dann wieder auf das Gerät.
„Ja, Hallo. Bernhard Brandstädter hier. Ich hab mal eine Frage.“
Sylvia deutet auf die Katze, die immer wieder ihre Pranke auf das grüne Licht legt.
„Ich bin über meine Kater gestolpert, als das neue Fax ihn erschreckt hatte … nein, es geht Stoker gut, aber wir haben eine teure Röntgenaufnahme machen lassen.“
Bernhards Blick folgt den ausgestreckten Finger seiner Frau und er grinst.
„Kiker-was? … Wieso haben Sie einen Hahn in der Kanzlei? … oh verstehe, ein anderer Fall. Schweigepflicht und so. … Meine Frage? - Ja klar: Kann ich Schadensersatz oder so was vom Absender des Fax bekommen?“
Stoker rollt sich auf dem Gerät zusammen und schnurrt. „ich glaube, die beiden vertragen sich wieder“, flüstert Sylvia, Bernhard nickt.
„Ja ich verstehe, das konnte der Sender nicht vorhersehen. Schade. Vielleicht finde ich ja noch raus, wie man das Klingeln abschaltet. Vielen Dank.“ Er legt den Hörer auf und zuckt mit den Schultern. „Da ist nichts zu machen.“
In dem Moment klingelt das Fax und brummt und surrt. Stoker springt mit einem Satz in die Arme von Frau Brandstädter.
„Wo hab’ ich denn die Bedienungsanleitung hingelegt?“, fragt Bernhard.
Sylvia lacht und streichelt den Kater.