Lars Bennings, Privatdetektiv

Ich bin Privatdetektiv, Name: Lars Bennings, männlich, 42 Jahre, wohnhaft in Bremen.

Nein, ich kläre keine Mordfälle auf, das machen nur die Typen im Fernsehen. Ich suche Ehemänner, die beim Zigaretten holen verschwinden und beschatte Ehefrauen, die ihre Kerle betrügen.

Es war Dienstagabend, als diese Frau an der Tür klingelte. Ich war gerade dabei, etwas Rouge aufzulegen und klimperte mit den falschen Wimpern vorm Badezimmerspiegel. Ich wischte mir rasch den zu dick aufgetragenen Lippenstift ab und ging zur Tür.

Ich trage gern Frauenkleider.

Ich hatte mich morgens rasiert (am ganzen Körper), der BH war ordentlich mit Watte gepolstert und das Halstuch verdeckte meinen Adamsapfel. Wenn ich meinen Mund nicht aufmachte, gab ich eine ganz passable Frau ab - das mit der Stimme musste ich noch üben.

Was die Kundin sah, war also eine Frau in den besten Jahren mit blonder Perücke in einem Etuikleid von Ana Alcazar. Ich lächelte freundlich, als ich die Tür öffnete.

"Guten Abend. Ich hoffe ich komme nicht zu spät." Sie sah gut aus, etwa Mitte dreißig. Schwarze Haare. Dezent geschminkt. Schöne lange Wimpern. Schlanker Hals.

"Keineswegs. Kommen Sie herein.", bat ich sie.

"Sie sind Herr Bennings?" Ich nickte.

"Setzen Sie sich." Ich deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und ließ mich in den Ledersessel dahinter fallen. Ich schlug die Beine übereinander. Ich klemmte mir jedes Mal die Eier dabei, aber in dem Alcazar konnte man nicht breitbeinig sitzen. Die Frau stellte sich als Claudia Bergmann vor.

"Mein Mann, Frank, ist beim Zigarettenholen verschwunden." Ich nickte - so ein Fall also.

"Was haben Sie der Polizei gesagt?"

"Vor zwei Tagen ist er verschwunden. Wollte noch in seine Stammkneipe."

"Und was haben Sie der Polizei nicht gesagt?"

"Frank hatte ein Pfund Marihuana dabei."

Ich fing an, mir Notizen zu machen.

"Das Gras war meins. Frank hat nur meinen Rucksack genommen. Macht er öfter, da sind die Papiere für den Wagen drin."

„Und ein Monatsvorrat an Gras.“ Eine ganze Menge, aber für ein paar hundert Euro Straßenwert nicht genug, um sich damit aus dem Staub zu machen. Ich nickte und ließ sie reden.

Der Fall war schon fast gelöst. Folgende Möglichkeiten würde ich prüfen müssen:

1.    Frank wusste tatsächlich nichts von dem Stoff, aber er begegnete jemandem, der das Zeug haben wollte.

2.    Frank wusste vom Gras und begegnete jemandem, der es haben wollte.

3.    Claudia belog mich nach Stich und Faden und wollte vertuschen, dass sie selbst für Franks Verschwinden verantwortlich war.

4.    Alles ganz anders.

"Wofür soviel Marihuana?"

"Mein Vater hat Magenkrebs. Medizinische Gründe." Claudia konnte mir viel erzählen, aber ihre Mimik war unverdächtig. Sie schaute mir in die Augen.

 

Am Abend suchte ich den Club auf, in den Frank am Tag seines Verschwindens noch wollte. Und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.

"Du kommst hier nich' rein.", fertigte mich der Türsteher ab. Das wollten wir doch mal sehen. "Bis gleich," antwortete ich und verdrückte mich.

 

Eine Stunde später lächelte ich den schwarz gekleideten Kerl mit Clublogo auf der Brust breit an. Es waren die schwarzen Lackpumps. Der Typ bekam seine Augen nicht los von den Teilen - oder von meinen großen Füßen. Ich hatte ewig geübt, bis ich den Gang perfektioniert hatte. Gehen mit Absätzen war nicht so schwer, aber gleichzeitig den richtigen Hüftschwung hinzukriegen, das war eine Kunst.

Meine Pumps waren nur 5 cm hoch. Manolo Blahniks, Größe 41, 55 Euro bei Ebay, im Laden über 400. Mein schwarzes Jeanskleid war von Neckermann. Lange schwarze Haare - Echthaarperücke, rotes Haarband und passender Gürtel und Lippenstift.

Der Wachtposten ließ mich ohne Kommentar passieren. Es war schon eine Weile her, dass sich jemand nach mir die Lippen geleckt hatte. Ich nahm das als Kompliment und zwinkerte ihm zu.

Es war vielleicht halb 12, noch nicht viel los auf der Tanzfläche. Depeche Mode schrie "Wrong". Viel Rot in der Beleuchtung. Bars links und rechts. Eine Junggesellenabschiedsparty - sehr betrunken.

Ich steuerte auf die Hauptbar zu. Spiegel, große Kollektion an Flaschen. Die Preisliste in Neonschrift leuchtete im Schwarzlicht. Barkeeper in schwarzem T-Shirt. Ziegenbärtchen. Kurze Haare. Schläfen mit rasiertem Muster.

Ich zeigte ihm meinen sexy Augenaufschlag, und weil gerade wenig los war, hatte er einen Augenblick Zeit für mich. Er flirtete nicht zurück. Stand wohl eher auf Männer.

"Warst Du vorgestern auch hier?" Ich redete nicht lang drum herum. Ich versuchte mit hoher Stimme zu sprechen, es klang, als hätte sie unter Zigaretten und Whisky etwas gelitten.

Ziegenbärtchen schüttelte den Kopf. "Du willst mit Lisa sprechen."

Das wusste ich gar nicht, aber ich nickte und er winkte seine Kollegin schon heran. Ebenfalls in Schwarz. T-Shirt, Jeans. Silberne Halskette mit kleinem Kruzifix.

"Ja?"

Ich grinste und ließ die Verstellung fallen - bekam sowieso immer Kopfschmerzen, wenn ich mit der Kopfstimme sprach.

Lisa war erst überrascht, musste dann aber lachen. Für einen Fünfziger verabredeten wir uns zur Zigarettenpause, eine halbe Stunde später hinter dem Club - das ging als Spesen auf die Rechnung.

Ich wartete hinter dem Laden in einer Gasse. In diesem Aufzug war es keine gute Idee, die Straße auf und ab zu schlendern. Ich könnte Ärger mit den ansässigen Nutten bekommen.

Dann kamen zwei Schränke auf mich zu. Muskelshirts, Cargohosen, DocMartens. Springmesser. Augen auf mich gerichtet. Keine Zeit, das Pfefferspray aus der Handtasche zu suchen.

Ich legte den Kopf auf die Seite und analysierte die Schwachstellen der beiden Gorillas. Viele Muskeln, aber diese Masse musste erst in Bewegung gebracht werden.

Unwahrscheinlich, dass es ein Zufall war. Vermutlich hatten diese zwei, oder ihr Auftraggeber, meine Klientin und mich verfolgt. Ein gutes Zeichen, ich war dicht genug an etwas dran, um jemanden nervös zu machen.

Wenn man sich auf Klischees verlassen könnte, würden die beiden jetzt ausblubbern, warum sie mir den Bauch aufschlitzen wollten. Aber sie hielten die Klappe. Und noch ein Problem: Im Fernsehen kommen die Bösen immer hübsch der Reihe nach. Diese kamen gleichzeitig. 90 Grad Winkel.

Ich kickte die Pumps von den Füßen. Sie landeten neben zwei Mülltonnen. Langsam wurde ich wütend - ich hing an den Schuhen.

Ich duckte mich unter der Faust des linken Angreifers hindurch, und ließ mich fallen. Vergrößerte damit gleichzeitig den Abstand zum rechten. Auf dem Rücken liegend, rammte ich dem Kerl meine Hacken in die Eier. Das hätte mit Absätzen mehr Spaß gemacht, aber er war für eine Weile außer Gefecht, das genügte.

Dann spürte ich die Stahlkappen des Anderen in den Nieren und rollte mit dem Tritt. Ich musste wieder auf die Beine kommen. Gar nicht so einfach mit knielangem Jeanskleid. Plötzlich fiel der zweite Klotz zu Boden. Zuckend. Ich rappelte mich auf, rettete meine Manolos und schaute mich um.

Lisa stand in der Gasse, mit einem Taser in der Hand. "Danke."

"Keine Ursache."

Sie ersetzte die Kartusche des Tasers durch eine frische und hielt das Gerät auf die beiden stöhnenden Fleischhaufen gerichtet.

"Ihre Freunde?"

"Jetzt nicht mehr."

"Vielleicht sollten wir ein Stück gehen,", schlug sie vor, ich stimmte zu.

Einige Seitenstraßen weiter ließen wir uns auf eine Bank nieder und ich inspizierte den Schaden an meinem Kleid. Total: gerissene Nähte, eine aufgesetzte Tasche hing auf Halbmast. Bei Neckermann bestelle ich so schnell nicht wieder. Die Schuhe waren in Ordnung.

Dann erzählte Die Barkeeperin mir, dass Frank an diesem Abend mit Janis Mancuso gesehen wurde. Klasse: Das war die Tochter des Bremer Paten. Nicht, dass man ihm eine Verbindung zur Mafia hätte nachweisen können, aber in meinen Kreisen war der Name gut bekannt.

 

Den folgenden Vormittag beobachtete ich eine kleine Villa in Schwachhausen, wo Janis wohnen sollte. Meine Avon-Beraterin hatte mir den Tipp gegeben, dass ihre Kollegin in dieser Gegend die Runde machte, also packte ich meinen Schminkkoffer, klebte ein Logo drauf und hoffte, so an den Wachen vorbeizukommen.

Heute war Kostüm-Tag. Hosenanzug, Bluse, Stiefel. Auffälliger Lippenstift, Mascara und Rouge. Kurze dunkle Haare. In der Straßenbahn musste ich schon erste Schmink-Tipps geben.

Gegen zehn Uhr wurden die Rollos hochgezogen. Janis öffnete im Bademantel. Haare wild und Blond, schmales Gesicht. Brötchenkrümel auf dem Mantel. Barfuß in Badelatschen.

"Sie sind nicht meine übliche Avon-Tante."

" Ich bin auf der Suche nach Frank Bergmann?" und stellte meinen Fuß in die Tür.

"Kennichnich." Sie knallte die Tür zu, aber ich wusste, warum ich heute Stahlkappen trug.

"Sie waren vor zwei Tagen mit ihm zusammen im Club." Ich zeigte ein Bild von Ihm.

"Och, der. Keine Ahnung, was aus dem geworden ist.“ Sie schlug die Tür ein zweites mal zu, aber ich grinste nur. “Hat sich als Marco vorgestellt. Wir haben ein paar Mal miteinander geschlafen, dann ist er nicht wieder aufgetaucht."

Ich wollte mich schon bedanken und abziehen, als ich die 5 Bodyguards bemerkte, die einen Halbkreis um mich gezogen hatten. Einer von ihnen schien Schwierigkeiten beim Gehen zu haben.

"Sind das ihre?"

"Nee. Papa schickt die Typen ständig hinter mir her." Ich zog meinen Fuß zurück und Janis schloss die Tür.

Ich grinste breit und verlegen. "ich hoffe, Ihr seid nicht nachtragend."

"Nicht doch. Kommen Sie einfach friedlich mit. Dann bleibt Ihre Zeugungsfähigkeit erhalten", antwortete einer von ihnen. Schlank, etwas südländisch. Muskulös, aber nicht so aufgepumpt wie meine Bekanntschaft von gestern.

"Lolek und Bolek, haben gestern Mist gebaut, die sollten Sie eigentlich nur zu Herrn Mancuso bringen. Sie hätten fragen sollen."

"Das wäre für alle Seiten angenehmer gewesen", stimmte ich zu.

Ich hatte keine Wahl und folgte den Typen zu einem schwarzen Lieferwagen. Zwei vorne, der Sprecher neben mir und zwei auf der Rückbank.

Die Fahrt endete an einer Villa am Weserdeich. Groß, weiß, millionenschwer. Eine Frau öffnete die Tür.

„Ah, die Dame von Avon. Schön, dass sie mal wieder vorbeischauen.“

„Das ist nicht die Avon-Tante“, wurde sie aufgeklärt. Man schob mich weiter ins Wohnzimmer - eines von dreien. Klassischer Neo-Kitsch in Gold, Glas und Marmor.

„Wieso verfolgen Sie meine Tochter?“ Das war Toni Mancuso selbst. Ich hätte fast ´nen Knicks gemacht. Schlank, schwarze Haare. Anzug teuerer als mein Appartement.

„Ich verfolge nicht ihre Tochter, sondern Frank Bergmann.“

„Den Dealer?“

„Nein, ich meine den Idioten, der nicht wusste, dass er Dope, das seine Frau für Ihren kranken Vater besorgt hat, spazieren schleppt.“

„Das erklärt wenigstens, warum er so hartnäckig auf dieser bescheuerten Geschichte besteht.“, und an den sprechenden Bodyguard gewandt. „Hol den Kerl hoch. Er dürfte verstanden haben, dass er nicht mit meiner Tochter rummachen soll.“