Todesfälle (Der Cop und der Tod IV)
Als Chadija und Horst wieder das diesseitige Ufer des Flusses erreichten saßen Martin und der Tod am Ufer und ließen Kiesel über das Wasser springen. Martins Stein schaffte fünf Sprünge.
Dann nahm der Tod einen Kiesel in die Hand - ditsch, ditsch, ditsch, ditsch, tock – machte der Stein und schlug gegen den Rumpf des Kahns. Chadija rammte den Stab in den Grund und brachte das Boot noch einige Meter vor dem Ufer zum Stillstand.
„Das ist aber nicht ganz fair.“ Murmelte der Tod, während er sich aufrappelte.
„Wette ist Wette“, antwortete Martin und sie schüttelten die Hand.
Chadija beobachtete den Austausch verwundert, während Horst durch das Wasser watete, er kräuselte nicht einmal die Oberfläche. Am Ufer führte er einen kleinen Freudentanz auf.
„Peter!“, rief Chadija und deute mit dem Stab auf den Tod. „Mit Dir hab ich noch ein Hühnchen zurupfen.“ Sie stieß die Stange noch einmal ins Wasser und das Boot knirschte auf den Strand. Mit einem großen Satz sprang sie an Land und schlug dem Tod, mit der Stange, die Sense aus der Hand, dann ließ sie die Waffe fallen.
„Du hast mich reingelegt.“ Sie schubste den Tod, dass er zurückstolperte. „Erst zeigst Du mir, wie ich sterbe und als sich Dir helfe ist das der Grund für meinen Tod“, fauchte sie und stieß den Tod, dass er das Gleichgewicht verlor und auf den Hintern fiel.
„Ich habe versucht, Dich aufzuhalten.“
Chadija knirschte mit den Zähnen. „Du hast nicht ein Wort gesagt. Du hast nicht… . Ich dachte… . Scheiße“, presste sie hervor.
Sie spürte Martins Hand auf der Schulter, aber sie schlug sie beiseite. „Und Du, was denkst Du eigentlich, wer Du bist“, fuhr sie ihn an. „Glaubst Du, die Gesetze gelten nicht für Tote. Du hast mich verdammt noch mal mit der Waffe bedroht.“
Peter versuchte wieder aufzustehen, aber er kam nicht weit. „Ich bin noch nicht fertig mit Dir!“, schrie sie. „Du bringst mich zurück. Sofort!“
Horst stand daneben und beobachtete den Austausch. „Ich wusste gar nicht mehr, wie das war - streiten“, murmelte der Geist und grinste. Er bückte sich und nahm einen der Steine auf. „Dich hab ich vermisst“, murmelte er.
„Chadija“, sagte der Tod. „Du weißt nicht, was Du da verlangst.“
„Schnauze. Ich weiß ganz genau, was ich will! - Noch nicht Tod sein!“, ihre Stimme überschlug sich.
Peter schaute sie einen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf. „Vielleicht kommen wir damit durch, schließlich war Dein Tod so nicht geplant“, sagte er schließlich.
Chadija nickte.
Alles war schwarz und sehr seit weg. Geräusche in weiter Ferne, die sie nicht einordnen, noch nicht einmal verarbeiten konnte. Sie kämpfte um jeden Ton, der zu ihr drang. Stimmen, klicken, summen, piepen. Sie spürte Berührung, ihre Hand.
Sie schlug die Krallen in die Wand der Bewusstlosigkeit und kämpfte sich nach oben zu den Empfindungen.
„Schwester!“, hörte sie eine verzweifelte Stimme rufen. „Sie hat meine Hand gedrückt! Schwester.“
Jetzt spürte Chadija wie die Hand, welche die ihre hielt, zudrückte. Da war ein Druck im Magen. Hals und Lunge brannten.
„Schwester!“
Chadija kämpfte darum die Augen zu öffnen, es war so unendlich schwer. Sie blinzelte, aber alles war hell und verschwommen. Unscharfe Köpfe beugten sich in ihr Gesichtsfeld.
Sie würgte, hatte das Gefühl nicht atmen zu können. Sie versuchte zu schreien, aber sie hatte keine Stimme.
„Alles in Ordnung“, sagte jemand neben ihrem Ohr. Sie haben einen Atemschlauch im Hals. Keine Angst.“ Eine leichte Berührung an der Wange.
Einatmen, Klick, summen, Luft strömte in Ihre Lunge. Ausatmen, Klick. Ihr Bett wurde in eine aufrechte Position gebracht, sie blinzelte.
„Ich werde den Schlauch jetzt entfernen. Wenn ich sage, atmen Sie kräftig ein und dann aus. Jetzt!“
Es fühlte sich an, als würde ihr die Luftröhre aus dem Hals gerissen.
„Husten Sie. So ist es gut.“
Chadija hustete, bis ihr schwarz vor Augen wurde, dann erst saugte sie wieder Luft in die Lunge. Und bei jedem Anfall hatte sie das Gefühl man würde ihr Schürhaken in den Bauch rammen. Ihr Blick wurde klarer und sie erkannte ihre Mutter neben dem Bett.
„Mom“, krächzte sie. Ihr ganzer Körper fühlte sich dumpf an und vom Bauch abwärts war alles taub, sie versuchte die Zehen zu bewegen, aber sie war sich nicht sicher, ob da etwas passierte.
„Mom?“ sie erkannte ihre eigene Stimme nicht, nur die Angst darin.
„Chadija. Alhamdullilah - Allah sei dank.“
Chadija schloss die Lieder erschöpft.
Als Chadija die Augen wieder aufschlug, war es dunkel vor dem Fenster. Sie sah sich um. Mom schlief in einem Sessel neben dem Bett. Der Tod und der Horst saßen an einem kleinen Tisch vor dem Fenster. Sie spielten Karten. Genauer, der Tod spielte Karten, Horst deutete nur auf die Karte und Peter legte sie für den Geist auf dem Tisch ab. Eine dicke Kanüle ging von ihrer Hand zu einem Tropf.
Horst drehte sich zu ihr um. „Du bist wach“, sagte er leise. „Deine Mutter wollte nicht nach Hause. Dein Vater hat sie nur mit Gewalt hin und wieder Heim gebracht, damit sie etwas Schlaf bekommt.“
Unter der Decke Chadija legte die Hand vorsichtig auf die Brust, sie war dick bandagiert und empfindlich. Sie zog die Hand zurück.
„Wie lange?“ Ihre Stimme war noch immer heiser.
„Zehn Tage, seit Du angeschossen wurdest“, antwortete der Tod.
„Die Kugel hat den Herzbeutel punktiert und die Lunge durchschlagen, bevor sie im Rückenwirbel stecken blieb“, erklärte Horst begeistert. „Die Ärzte sagen, das kalte Wasser hätte den Kreislauf verlangsamt, sonst hättest Du nicht überlebt. Ziemlich kritisch, bis vor zwei Tagen hätten sie nicht sagen können, ob Du es schaffst. Klinisch Tod bla, bla bla.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wir wissen das natürlich besser, nicht wahr.“
„Meine Beine?“, rief sie erschrocken und hielt sich, mit einem Seitenblick auf die schlafende Mutter, die Hand vor den Mund.
„Sind völlig in Ordnung“, beruhigte der Geist. „Bald kannst Du wieder rennen und tanzen. Hmm - Tanzen.“
Horst lächelte verloren und Chadija wandte sich wieder an den Tod, der nachdenklich aus dem Fenster schaute.
„Martin?“
„Ist schon auf dem Weg nach Kanada.“
Chadija sah ihn fragend an.
„Er will nicht mehr nur seine Frau finden, es gibt eine Spur.“
Die Polizistin schüttelte den Kopf. „Wieso hast Du ihn nicht drüben behalten.“
Chadijas Mutter rührte sich im Schlaf und sagte etwas auf Arabisch. Sie warteten, aber die Frau wachte nicht auf.
Der Tod ließ die Mundwinkel hängen. „Wir haben gewettet, wer die Steine öfter springen lassen kann. Martin hat gewonnen. Zwei Tage Vorsprung“
„Peter hier ist ein fürchterlicher Spieler“, warf Horst ein. „Er verliert, obwohl ich mit offenen Karten spielen muss.“
„Penrose ist ermordet worden, aber Martin hat seine Konten überprüft,“ ignorierte Peter den Geist. „Er hat 100.000 kanadische Dollar bekommen. Und die Versicherungsunterlagen: Penrose hat zwar die Verlustanzeige aufgegeben, aber einen Versicherungsfall hatte er nie eingereicht.“
„Kanadische Dollar? Was soll das denn?“
Der Tod schüttelte den Kopf.
„Wir müssen nach Kanada“, entschied Chadija.
Peter sah sie nur an.
„Das ist jetzt was Persönliches. Ich will dem Kerl, der auf mich geschossen hat in den Hintern treten. Und ich will wissen, was Martin vorhat.“
„Chadija. Da sind starke Schmerzmittel drin. Du bist nicht fit genug.“ Peter zeigte auf den Tropf.
„Ich lebe oder? Dann werde ich das wohl aushalten. Ich habe verdammt noch mal was gut bei Dir“, fluchte sie leise und fiel zurück ins Bett und in tiefen Schlaf.
„Und es gibt Kräfte, die nicht glücklich sein werden über diese Entwicklung“, flüsterte der Tod.