Lebkuchenhaus

Esmeralda warf den Korb mit den Pilzen in die Ecke. Kümmerliche Gewächse mit roten Hüten und weißen Punkten.

"Sie haben Post." trällerte es aus dem Laptop auf der Anrichte und das Holz im Ofen knackte im Feuer.

Esme beugte sich über den Bildschirm und ihr Rücken krachte. Der Dutt sprengte das Haarnetz und eine Fülle grauen Haaren ergoss sich über Computer, Anrichte, bis auf den aus Lehm gestampften Boden.

"Viagra 50% billiger." leuchtete die Betreffzeile.

Esme hackte mit den dünnen Fingern auf der Tastatur herum bis Funken stoben. "Das Programm reagiert nicht. Möchten sie es Beenden."

Sie fegte den Rechner vom Tisch und schnippte mit dem Finger. Noch bevor das Gerät auf dem Boden aufschlug war es eine Kröte.

"Ribipp." machte sie, dann hüpfte sie unter den Geschirrschrank.

Esme trat nach der Kröte, aber traf nur den Schrank, das Porzellan klirrte.

Es klopfte an der Tür. Esme wollte gerade die Tür öffnen, als sie ihre Reflexion im Glas des Schranks erblickte. Schnell nahm sie einen Kochlöffel aus der Schublade, tauchte ihn in den Schmalztopf, der auf der Arbeitsplatte stand und führ sich durch die Haare. Mit jedem Strich wurden die Haare kürzer und schwärzer. Sie schaute durch die trüben Butzenscheiben nach draußen. Ein paar Kinder standen draußen und traten von einem Fuß auf den anderen.

Esme grinste und rieb sich noch etwas von dem Schmalz ins Gesicht und auf die Hände. Die Falten und Furchen glätteten sich, die Flecken verblassten. Sie sah an sich herunter und zuckte zusammen. Esme schmierte etwas Schmalz auf das Kleid, aber das wurde nicht wieder hübsch, sondern nur fettig.

Es klopfte erneut.

"Ich..." krächzte sie und stockte. Sie leckte den Löffel ab und grinste.

"Ich komme gleich." hauchte sie mit zarter Stimme.

Sie raste hinauf ins Schlafzimmer und riss den Kleiderschrank auf. Ein schwarzes Kleid. Ein schwarzes Kleid. Ein schwarzes Kleid mit Sternchen. Ein hübsches schwarzes Kleid mit geschlitztem Rock, das nah sie. Zerrte sich die alte Schürze herunter und ließ das Kleid über den Kopf gleiten. Sie rannte die Treppe wieder hinunter.

Völlig außer Atem riss sie die Tür auf und starrte in die Gesichter eines Jungen und eines Mädchens. Die beiden waren gerade groß genug, um Esme auf den Bauch zu schauen.
"Kein Netz." sagte der Junge und hielt sein Handy in alle Himmelsrichtungen. Esme schaute zwischen den beiden hin und her.

"Wir haben uns verlaufen." fügte das Mädchen hinzu. Ein grinsen kroch über das Gesicht Esmeraldas, beinahe hätte es auch die Augen erreicht.

Der Junge schüttelte ein Gerät in seiner Hand und schaute auf den Bildschirm. "Das GPS sagt, wir sind in Эрдэнэ зуу (Erdene Zuu) in der Mongolei." Er sah zu Esme hinauf. "Ich glaube, das stimmt nicht."

Esme schüttelte den Kopf.

"Wieso wohnen Sie in einem Lebkuchen Haus?" wollte das Mädchen wissen."
"Tradition." antwortete Esme mit sanfter Stimme.

„Sie sehen nicht sehr alt aus.“ sagte das Mädchen und musterte die Frau,
Esma zuckte mit den Schultern. „Danke.“

„Bekommen sie viel Besuch.“

„War früher mehr.“

Das Mädchen wollte eine Ecke vom Türrahmen abbrechen. "Nicht." rief Esme.

"Schuldigung. Wir laufen schon eine Stunde hier rum, obwohl das nur eine Verkehrsinsel ist. Ich hab so'n Hunger."

"Die Fliesen sind voller E 249, E 250 und E 252, außerdem Butylhydroxianisol und Cyclamat. Ohne das Zeug halten sich die Lebkuchenplatten einfach nicht und ich kann nach jedem Regen neue backen." Sie beugte sich zu dem Mädchen hinunter, ihre Stimme wurde lauter und schriller. "Weiß Du was das für eine Arbeit ist. 1200 Lebkuchenfliesen zu backen, in einem alten Holzofen. Jede zweite verbrennt mir in dem Ding."

Das Mädchen machte einen Schritt zurück und schaute mit großen Augen und offenem Mund.
Esme lachte. "Hoppla. Da hab ich mich etwas hinreißen lassen." sie fort richtete sich wieder auf und fuhr fort: "Ich wollte euch nicht erschrecken. Ich bekomme doch so selten besuch von so netten Kindern." Sie machte die Tür weit auf. "Kommt rein, ich mach euch einen Tee und eine Stulle. Dann bringe ich euch zurück an den Waldrand." Sie schüttelte langsam den Kopf während sie das sagte.

Die Kinder sahen sich kurz an und nickten zaghaft, dann traten sie an Esme vorbei ins Haus. Esmeralda fletschte die Zähne zu einem breiten Grinsen, während die Kinder sie nicht sehen konnten. Ihre Schultern zuckten und sie prustete.

Das Mädchen schaute sich um. "Alles in Ordnung?"

"Bestens, bestens." murmelte Esme und ihr Gesicht sah wieder ganz ernst aus. Dann schob sie die Kinder in die Küche.

"Ribipp." machte das Notebook.

"Da sitzt ein Frosch unter dem Schrank." sagte der Junge.

"Kröte." korrigierte Esme und setzte einen Kessel mit Wasser auf den Herd.

"Mama hat 'nen Wasserkocher." sagte das Mädchen.

Die Kröte sprang mit einem Satz auf den Tisch zwischen die Kinder. Das Mädchen wich zurück. Der Junge piekte das Tier mit dem Löffel, aus dem Zuckertopf. "Oma und Opa tun es. Jetzt Live!" quakte die Kröte. Esme warf eine Tasse nach dem Tier und fegte es vom Tisch.
Die Kröte war plötzlich ganz blau mit weißen Punkten. "Schwerer Ausnahmefehler. Bitte kontaktieren die den System..." Eine zweite Tasse zerschellte neben der Kröte und sie wurde schwarz. "Beep Beep." quakte sie.

"Sie sollten auf Windows 7 oder Linux umsteigen." sagte der Junge und nippte am Tee, den Esme auf den Tisch gestellt hatte. Jetzt schmierte sie Butter auf Brotscheiben
"Au." sagte der Junge. "Wieso trittst Du mich?" wollte er von dem Mädchen wissen.

"Merkst Du gar nichts mehr?" flüsterte es, "Das is' 'ne Hexe."

"Mir doch egal. Ich find' die Kröte geil." sagte der Junge.

"Die will uns bestimmt kochen." sagte das Mädchen leise.

"Quatsch. Dafür bist Du viel zu dürr."

Esme stellte einen Teller mit den Broten auf den Tisch. "Esst, damit ihr groß und stark werdet."
Junge und Mädchen schrien auf und sprangen vom Tisch auf. "Wir müssen los. Mama is' bestimmt fertig beim Frisör. Sie wird wütend, wenn sie uns nicht im Spielwarenladen findet." riefen Sie, während sie davon stürmten.

Esmeralda schaute den Kindern, wie sie durch den Wald rannten nach und knirschte mit den Zähnen. Dann bückte sie sich und hob die Kröte auf. Sie schnippt mit den Fingern und der Lärm der Straße war zu hören, durch die Bäume schimmerte das Neonschild einer Spielzeugkette.

"Wir sollten umziehen, da drüben verlaufen sich Kinder bestimmt öfter." Sie drückte der Kröte auf dem Rücken herum. "Mir geht auch langsam das Schmalz aus und dann rennen die Bälger schon, wenn ich nur die Tür aufmache." sagte Esme zu der Kröte.

"Tüdelüt. Herzlich willkommen bei Windows Vista, möchten sie die Tour starten." quakte die Kröte.