Geradeausküssen

Ihre Gesichter näherten sich einander langsam, Jane hatte ihre Augen geschlossen, aber Olafs waren offen und erkundeten sein Gegenüber. Ihre Brauen, die in einem langen Schwung in dunklem braun, fast Schwarz über die Augen gingen. Die langen Wimpern. In der rechten hing noch ein winziger Krümel Maskara. Braunen tiefen Pupillen. Langsam kam sie näher und näher, bis sie Olafs Gesichtsfeld auszufüllen schienen. Olaf schloss die Augen und das Bild von ihr blieb in seinem Geist. Jede kleine Struktur der Iris hätte er beschreiben können.

„Aua.“

„Autsch.“

Olaf machte die Augen auf und rieb sich die Nase. Jane massierte die ihre.

„Ich dachte, Du würdest…“, sagte sie. Nicht wütend, nur ein wenig überrascht.

„Und ich dachte, Du…“, sagte Olaf. Und sie lachten und schüttelten die Köpfe.

Sie begannen den zweiten Versuch. Olaf sah sie lächeln, die weißen Zähne und den kleinen Spalt zwischen den Schneidenzähnen, der Jane manchmal nur ein ganz kleines bisschen lispeln lies, wenn sie sehr aufgeregt war. Er schloss die Augen.

Rumms.

„Mist. – Tschuldigung“, rief Olaf und drückte die Nasenspitze mit Daumen und Zeigefinger wieder zurecht. „Wolltest Du nicht.“ Er nahm die Hand hoch und kippte sie zur Seite.

„Und Du?“ entgegnete sie. Das Lächeln war verschwunden. Sie schaute ihm in die Augen und nach einigen viel zu langen Augenblicken sagte sie:

„Olaf.“

Olaf senkte den Blick und hob ihn wieder. „Ja.“

Es fiel ihr schwer, das zu sagen. „Ich kann nur gerade aus küssen.“ Sie atmete tief aus und langsam wieder ein. Als wäre eine schwere Last von Ihr gefallen.

Ralf nahm ihre Hände in die Seinen. Er grinste breit.

„Das is’ nich’ witsig“, sagte sie und zog die Hände zurück. Sie verschränkte die Arme und kauerte sich in ihre Ecke des Sofas.

„Jane. So war das nicht gemeint“, flehte Olaf und neigte sich zu ihr. Aber sie wich zurück drückte sich noch mehr in die Kissen.

„Ich auch nicht“, sagte Olaf.

Sie schaute ihn wieder an, aber skeptisch.

„Ich habe das noch nie jemandem erzählt“, erklärte er. „Irgendwie habe ich mich immer durchgemogelt.“ Er senkte den Blick und hoffte, sie würde verstehen, wie peinlich das war.

Und plötzlich war sie bei ihm umarmte ihn. Drückte ihn an sich und Olaf schlang die Arme um seine Jane. Nach einiger Zeit ließen sie wieder voneinander ab.

„Ich so froh, dass Du mir…“, fing Sie an.

„Auch. Ich auch“, stotterte Olaf glücklich.

„Aber wie?“ wollte sie wissen und hielt seine Hand in der Ihren.

Olaf überlegte, zuckte mit den Schultern, rollte mit den Augen, aber ihm fiel keine Lösung für das Dilemma ein.

„Lass es uns von der Seite versuchen,“ schlug Jane vor.

Olaf schaute sie an.

Sie stellte sich hin. „Steh auf“, sagte sie. „Ich stehe hier, und Du kommst von da.“

Olaf tat, wie ihm geheißen. Aber plötzlich stand er an ihrer Schulter, Ihr Kopf war nur etwas zu ihm gedreht, die Augen erwartungsvoll geschlossen und die Wange beinahe in Reichweite der Lippen, aber eben nur beinahe. Da war das Grübchen, das er so mochte, aber es war schier unerreichbar. Olaf streckte die Zunge aus, strengte sich an.

„Ihhh!“, rief Jane und fuhr mit der Hand an die Wange. Aber sie lachte dabei.

Olaf schüttelte den Kopf. „Das funktioniert nicht“, murmelte er. „Lass uns ins Schwimmbad gehen, vielleicht hilft der Auftrieb“, schlug er vor und sie gngen ins Schwimmbad.

 „Wenn Du Brust und ich Rücken schwimme. Du von da und ich von hier“, überlegte Olaf laut. Aber sie stießen nur mit den Köpfen zusammen.

„Du schwimmst auf dem Bauch“, dachte sie laut. „Und ich tauche unter Dir hindurch.“

Sie badeten und experimentierten, bis die Augen vom Chlor gerötet waren und die Haut schrumpelig wurde.

„Deine Nase ist zu lang“, sagte Olaf und hätte den Satz am liebsten im selben Augenblick zurück genommen, aber er war frustriert und ließ ihn stehen.

„Deine Nase ist zu breit“, gab sie zurück.

„Sie sitzt einfach zu mittig im Gesicht“, rief er.

„Nich’ meine Suld“, schrie Jane. „Und Du hast Haare in der Nase. Und den Abwasch machst Du auch nie“, fügte sie mit Tränen in den Augen hinzu.

„Es tut mir leid“, sagte Olaf dann kleinlaut. „Ich liebe Deine Nase.“

„Wir brauchen Schwerelosigkeit!“, entschied Jane ein wenig besänftigt. „Hast Du eine Rakete?“, fragte Olaf.

„Fallschirmspringen!“, saget Sie.

Also stürzten sie sich aus einem Flugzeug in die Tiefe. Und es war wie schwerelos sein. Wenn nur der Wind nicht wäre und die Sturzhelme.

Sie versuchten es von Links und von rechts, von oben und unten, im Drehen, mit schrauben. Bei einem Sprung, beim zweiten und dritten.

Als sie das vierte mal ihre Fallschirme zusammensuchten, waren sie erschöpft und beschlossen nach Hause zu fahren.

„Vielleicht sind wir nicht füreinander…“ sagte Jane ganz leise.

Olaf schüttelte den Kopf, das wollte er sich nicht vorstellen, nicht denken und nicht wahrhaben.

„Morgen sagte er. Morgen versuchen wir es wieder. Uns wird etwas einfallen.“ Und er ließ sich rücklings auf das Bett fallen. Mit ausgebreiteten Armen lag er da und starrte gegen die Decke. Jede Faser in seinem Körper sehnte sich nach eine Kuss Janes.

Da beugte sie sich über ihn. Von der anderen Seite des Bettes aus. Und ihre Lippen berührten sich. Die Nasen glitten am Kinn des anderen Vorbei und auf einmal passte alles zusammen.